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Wie geht die Tierwelt mit ihren Alten um?

Zeit und Gesellschaft prägen unsere Sicht auf das Alter, den Prozess des Alterns sowie unsere älteren Mitmenschen selbst. Doch wie halten es eigentlich in Gruppen organisierte Tiere mit dem Alter?

Sie altern ebenso wie wir und stehen somit vor ähnlichen, aber für ihr Leben viel existenzielleren Fragen: Was tun mit den Alten? Wie verteilen sie die Ressourcen? Was zählt Erfahrung? Gibt es Respekt vor dem Alter?

Die Befundlage zum Verhalten älterer Tiere, zumal in der freien Wildbahn, ist tendenziell dünn. Die Schwierigkeiten beginnen damit, dass es kaum Methoden gibt, das Alter der meisten Tiere festzustellen, insbesondere wenn kein wirtschaftliches oder gesellschaftliches Interesse an der Spezies besteht. Gut erforscht ist beispielsweise die Rolle des Alters bei sozialen Insekten wie Bienen, Ameisen und Hummeln. Ihr Geheimnis zum Erfolg ist eine effiziente Arbeitsteilung, die gänzlich vom Alter bestimmt wird, was man Polyethismus (von gr. poly „viele“ und ethos „Gewohnheit, Brauch“) nennt.

Strikte Arbeitsteilung nach Alter

So durchlaufen bei den Bienen alle Arbeiterinnen entsprechend ihrer bisherigen Lebensspanne mehrere Kasten. Zunächst säubern sie die Waben des Bienenstocks, bevor sie ungefähr am vierten Tag ihres Lebens dazu übergehen, den neuen Nachwuchs in den Waben zu füttern. Mit Beginn der zweiten Woche helfen sie bei der Einlagerung von Nektar. Ab der dritten Woche verlassen sie den Bienenstock und gehen auf Erkundung und auf die Suche nach Wasser und Nahrung. Der Lebenslauf ist sozusagen programmiert.

Stärke und Größe zählen

So strikt handhaben es Säugetiere nicht. Ihre Aufgabenteilung und ihre Hierarchien sind nicht genetisch vorgegeben, sondern sie werden in irgendeiner Form von Wettbewerb bestimmt. Da wir Menschen in sehr großen Gruppen leben, sind soziale und kognitive Fähigkeiten der Schlüssel zum Erfolg. Die wenigsten unserer Regierungsämter werden im Ringkampf ausgetragen. Die Schlüssel zu Überlegenheit im Tierreich hingegen sind Stärke und Größe. Häufig, aber nicht immer, stehen daher Alphamännchen an der Spitze. Bei Hyänen oder Goldhamstern dagegen führen die oft stärkeren Weibchen die Gruppe an. In anderen Tierarten, zum Beispiel bei den Wölfen, teilt sich ein Paar die Aufgabe. Manche in Familien organisierte Säugetiere, zum Beispiel Grünmeerkatzen, „vererben“ regelmäßig Überlegenheit, die den Jungen als Startkapital dient. Doch Dominanz muss auch verteidigt werden, weswegen die Lebenserwartung vieler Alphamännchen und -weibchen niedriger ist als derjenigen, die sich ihr Leben lang im Mittelfeld bewegen.

Erfahrene Artgenossen geben Wissen weiter

Üblicherweise steigen daher Tiere als junge Erwachsene in der Hierarchie auf und, sobald die Kräfte wie beim Menschen mit dem Alter nachlassen, ebenso wieder ab. Selbst mit geballter Kampferfahrung ist der Stärkeunterschied zu den aufstrebenden Jungen irgendwann zu groß. So sind die Alphamännchen von Löwen oder Schimpansen nie die ältesten. Die Alphaweibchen einer Elefantenherde hingegen haben dieses Problem nicht. Elefanten wachsen immer weiter und sind im Alter nicht unbedingt schwächer als zuvor. Die größten sind daher auch die ältesten und diejenigen mit der meisten Erfahrung. Diese ist bei Tieren wie bei Menschen das Wertvollste, das alte Artgenossen mitbringen. Sie geben ihr Wissen weiter und bemühen sich, den Zusammenhalt der Gruppe zu stärken und Konflikte zu lösen. Umso älter und somit erfahrener das Alphaweibchen einer Gruppe Elefanten ist, desto besser sind die Chancen auf zahlreichen und widerstandsfähigen Nachwuchs, wie sich bei Beobachtungen im Amboseli-Nationalpark zeigte.

Gentleman’s Agreement mit dem Alphamännchen

Affenarten kennen einen diplomatischen Weg, um einerseits das Vorrecht des Stärksten zu respektieren, aber auf die Erfahrung der Ältesten nicht zu verzichten. Im Rahmen einer Art „Gentleman’s Agreement“ akzeptiert ein altes, unterlegenes Alphamännchen seine neue Rolle in der zweiten Reihe. Es zeigt dem neuen Anführer beispielsweise, in welche Richtung das Rudel wohl am besten wandern sollte. Die Kommunikation findet aber so unauffällig in Gestik und Mimik statt, dass die Autorität des jungen Alphamännchens nicht unterminiert wird. Im Gegenzug erhält der alte Affe Protektion. Sein indirekter Einfluss ist besonders wertvoll für das Rudel, da vor allem Männchen mit dem Alter meist friedfertiger werden und Entscheidungen vielleicht überlegter treffen.

Ältere Weibchen sind begehrt

In einer unwirtlichen Umgebung ohne medizinische Versorgung ist das Erreichen eines hohen Alters immer auch eine Auszeichnung. Alten Tieren wird daher von Artgenossen ein gutes Genmaterial unterstellt, was sie attraktiver macht – zumal die Weibchen nur bei wenigen Spezies eine Menopause kennen. In vielen Tierarten, beispielsweise bei Schimpansen, suchen Männchen sich vorzugsweise ältere Weibchen. Ihre Erfahrung und ihr bereits vorhandener Nachwuchs strahlen Kompetenz und Fruchtbarkeit aus, während ästhetische Veränderungen wie ergrautes Fell oder Falten zumindest nicht so sehr ins Gewicht fallen.

Friedhof der Elefanten

Irgendwann aber deutet sich auch das Ende des vitalsten Tieres an. Alte Hyänen werden bewusst ausgestoßen, Elefanten oder Affen zurückgelassen, wenn sie zu schwach für das Tempo der Herde geworden sind. Eine Rente und ein Altersheim gibt es nicht, wohl aber manchmal eine Art Friedhof: So bedecken Elefanten oder Gorillas ihre Toten mit Gras und Erde. Sie wurden auch schon dabei beobachtet, ihre unterlegenen Feinde – zum Beispiel übermutige Löwen – zu „beerdigen“. Der Umgang mit den Defiziten und der Erfahrung des Alters sowie mit dem Tod selbst ist in der Tierwelt sicherlich vielfältiger, aber in Teilen gar nicht so anders als bei uns – nur eben weniger „menschlich“.