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Olympiateilnehmer: Der Preis des Lebens

Früher Ruhm, früherer Tod: Olympiateilnehmer setzen als Spitzensportler ihren Körper überdurchschnittlichen Belastungen aus und zahlen dafür letztlich einen hohen Preis, wie eine Studie zeigt.

Olympiateilnehmer trainieren und leben Jahre oder jahrzehntelang am Limit. Doch deshalb sterben sie womöglich auch früher als Normalbürger.

Das legen Ergebnisse einer Studie eines ehemaligen deutschen Athleten nahe. Seine mit mehreren Standardverfahren der medizinischen Statistik methodisch gesicherte Untersuchung wirft damit ethische und medizinische Fragen zu den Folgen des Leistungssports auf. Autor Lutz Thieme war als Schwimmer selbst Leistungssportler und lehrt derzeit am RheinAhrCampus der Hochschule Koblenz Sportmanagement und Sportökonomie. Veröffentlicht wurde die Studie in der Zeitschrift „German Journal of Exercise and Sport Research“.

Sechs Dekaden und 6.000 Sportler untersucht

Eine derartig explizite Auswertung in Bezug auf Olympiateilnehmer ist hierzulande bis dato einmalig. Untersucht wurde die Mortalitätsrate aller 6.066 deutschen Olympiateilnehmer zwischen 1956 (Winterspiele in Cortina d’Ampezzo/Italien) bis zum Jahr 2016 (Sommerspiele in Rio de Janeiro/Brasilien) im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung. Insgesamt nahmen in diesen sechs Dekaden 1.959 Frauen und 4.107 Männer aus Deutschland an Olympischen Spielen teil. Bis zum Stichtag, dem 1. Juli 2019, waren 400 von ihnen verstorben, darunter 138 Medaillengewinner. Zudem starben westdeutsche Olympioniken vergleichsweise früher als Spitzensportler aus dem Osten Deutschlands.

Deutlich höheres Sterberisiko

So lag für westdeutsche Olympiateilnehmer in der Altersgruppe von 15 bis 34 Jahren das Sterberisiko in allen untersuchten Generationen deutlich über dem jeweiligen Wert der westdeutschen Gesamtbevölkerung. Aus dieser Vergleichsgruppe sind in den Jahren von 1956 bis 1974 zehn Personen gestorben. Gemesssen an der Mortalitätsrate in der westdeutschen Gesamtbevölkerung wären lediglich 7,48 Todesfälle zu erwarten gewesen. Der daraus resultierende Koeffizient (Standardized Mortality Ratio = SMR) betrug demzufolge 1,34. Dieser Trend setzt sich vor allem in dieser Altersgruppe mit weiteren Olympischen Spielen zunehmend fort. Aus den Zeitraum ihrer Teilnahme von 1975 bis 1995 starben 13 Olympioniken, statistisch hätten es deutlich weniger (5,86) sein müssen. Zwischen 1995 bis 2017 wurde sogar ein SMR-Wert von 10,71 ermittelt.

Überraschende Zahlen für den Osten

Die Mortalitätsraten der ostdeutschen Olympiateilnehmer in der Altersgruppe der 15- bis 34-Jährigen liegen im Vergleich zur DDR-Bevölkerung ebenfalls höher. Jedoch fallen diese in der Regel nicht so deutlich aus wie zwischen westdeutschen Olympiateilnehmern und BRD-Bevölkerung. So ist in dieser ostdeutschen Vergleichsgruppe von Olympiateilnehmern zwischen den Jahren von 1956 bis 1974 keine Person gestorben. Angesichts der Mortalitätsrate in der ostdeutschen Gesamtbevölkerung wären 5,43 Todesfälle zu erwarten gewesen. Im Zeitraum von 1975 bis 1995 starben neun Olympiateilnehmer dieser Altersgruppe, laut statistischer Wahrscheinlichkeit hätten es  5,77 sein müssen. Zwischen 1995 und 2017 wurde ein SMR-Koeffizient von 2,86 ermittelt. Gerade vor dem Hintergrund der Doping-Doktrin, die dem staatlich geförderten und geprägten Spitzensport in der DDR und damit verbundenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen anlastet, überraschen diese Zahlen schon.

Ähnliche Studien über Spitzensportler

Für Deutschland gab es bislang nur eine in Ansätzen ähnliche Studie. So wurde im Hinblick auf den Hochleistungssport die Mortalität von insgesamt 812 Fußballnationalspielern der Jahre 1908 bis 2006 überprüft. Dabei ergab sich, dass deren Sterblichkeit über die Jahrzehnte durchweg höher war, je jünger sie als Spieler in den Kader der Nationalmannschaft berufen wurden. Auf internationaler Ebene verweist Autor Thieme auf mehrere Studien – mit allerdings unterschiedlichen Resultaten. So fanden beispielsweise amerikanische Wissenschaftler in Bezug auf Spieler der National Football League (NFL) zwischen 1982 bis 1992 keine signifikanten Unterschiede zur Sterblichkeitsrate der US-Bevölkerung. Finnische Forscher hingegen ermittelten bei Gewichtheber-Champions eine höhere Mortalitätsrate. Wobei gerade in dieser Sportart Doping immer wieder eine Rolle spielt. Insgesamt sind die bisher veröffentlichten Studien in ihrer Aussage jedoch sehr differenziert zu betrachten, wie dieser Beitrag im Schweizer Tages-Anzeiger ziemlich gut dokumentiert.

Entschädigung für entgangene Lebenszeit gefordert

Im Hinblick auf ihre Lebenserwartung zählen deutsche Leistungssportler zu einer Risikogruppe, resümiert der Studienautor. Gemäß den Ergebnissen seiner Studie bezahlen gerade Olympiateilnehmer ihre Karrieren mit dem „Einsatz von Lebenszeit“. Dieser Effekt steige mit zunehmendem Erfolg. Doch da die Leistungen von Olympiasiegern nach wie vor gesellschaftlich vereinnahmt werden, plädiert der Forscher dafür, „deren Erbringer für die entgangene Lebenszeit zu entschädigen“. Daher dürfte auch die immer wieder mal aufkommende Diskussion um die staatlich subventionierte Altersabsicherung von Leistungssportlern einen zusätzlichen Impuls erhalten.