Das Betriebsrentenstärkungsgesetz befindet sich derzeit im Gesetzgebungsverfahren. Ein Kernbaustein dieses Gesetzes ist die Einführung einer reinen Beitragszusage im Rahmen des Sozialpartnermodells. Andreas Wimmer, Firmenkundenvorstand der Allianz Lebensversicherungs-AG, erklärt im Gespräch seine Sicht auf die anstehenden Änderungen in der betrieblichen Altersversorgung.
Die neue Zusageform spaltet die Geister. Die einen halten sie für die passende Antwort auf die anhaltende Niedrigzinsphase. Die anderen erwarten wenig Akzeptanz bei Gewerkschaften und Belegschaften. Wo ordnen Sie sich ein?
Versicherungsförmige Garantien sind im derzeitigen Niedrigzinsumfeld mit erheblichen Mitteln zu hinterlegen. Den Arbeitnehmern können dadurch für hohe Beiträge oder ein erhebliches angespartes Kapital nur vergleichsweise geringe Rentenleistungen angeboten werden. Diese Meinung vertritt Dr. Rafael Krönung, Aktuar beim Beratungsunternehmen Aon Hewitt, im Gespräch mit dem DIA. Sind die Grenzen für Garantien tatsächlich erreicht?
Die Frage ist mir offen gesagt zu pauschal: Es kommt nämlich auf die Form der Garantie an. Richtig ist, dass Produkte mit klassischem und durchgehendem Rechnungszins in der Niedrigzinsphase zu wenig Freiheitsgrade für eine chancenreiche Kapitalanlage lassen und weder aus Kunden- noch Unternehmenssicht attraktiv sind. Völlig anders sieht dies aus Sicht eines finanzstarken Lebensversicherers bei neuen Produkten mit zum Beispiel endfälligen Beitragsgarantien aus. Diese sind aus unserer Sicht im Hinblick auf die Mittelunterlegung weder zu teuer noch verhindern sie – bei entsprechender Konstruktion und vernünftiger Kostenstruktur – renditeträchtige Anlagestrategien.
„Die neue Tarifwelt hat mit der alten Klassik wenig gemeinsam.“
Die Anpassungen im Future Service bei Pensionskassen, die immerhin bis zu 24 Prozent betragen, zeigen, dass frühere Garantiezusagen unter den gegebenen Bedingungen auf der Kippe stehen. Für diesen Fall gibt es Anpassungsmöglichkeiten, von denen nun vermehrt Gebrauch gemacht wird. Liefert das nicht Anlass, über Garantien in der betrieblichen Altersversorgung generell nachzudenken?
Hier sind gleich drei Differenzierungen zu treffen: Erstens sollten wir unterscheiden, ob es um harte Garantiezusagen geht oder ob ein Anbieter tariflich oder vertraglich vereinbarte Anpassungsmöglichkeiten nutzt. Zweitens: natürlich sind die Anbieter vor der Herausforderung, die hohen Garantiezinsen der Vergangenheit zu managen. Aber das ist unser Job. Drittens haben die Tarifwelt 2017 und damit die neuen Vorsorgekonzepte bei vielen Versicherern wenig mit der alten Klassik gemeinsam. Unser Ziel ist es, mit den neuen Vorsorgekonzepten Ertragschancen zu eröffnen und diese zugleich mit zentralen Sicherheitselementen zu verbinden. Hierzu gehört für mich gerade die Absicherung der Rentenphase, zum Beispiel durch zum Rentenbeginn garantierte Renten, absolut dazu.
Erleben wir eine Spaltung unter den Versicherern? Einige werden weiterhin Garantien für Betriebsrenten anbieten, andere können dies zum Beispiel wegen ihrer Kostensituation oder Kapitalstärke hingegen nicht mehr.
Wie in jeder Branche gibt es auch im Lebensversicherungsmarkt Anbieter mit unterschiedlichen Stärken und Schwächen. Die Allianz gehört im Marktvergleich zu den Lebensversicherern, die sich durch ihre Finanzstärke und niedrige Kosten auszeichnen. Wir können und wollen daher auch gerne Garantien anbieten.
„Die Gretchen-Frage ist viel grundsätzlicher.“
Die reine Beitragszusage soll nur im Rahmen von tariflich vereinbarter bAV möglich sein. Ist das gerechtfertigt, weil die Tarifpartner wegen des geringeren Sicherungsniveaus aus gutem Grund ein Mitspracherecht, zum Beispiel bei der Kapitalanlagepolitik, verlangen, oder werden damit die übrigen Anbieter benachteiligt?
Ich glaube, die Gretchen-Frage ist hier sehr viel grundsätzlicher, ob der Fokus des Sozialpartnermodells auf tarifvertragliche Lösungen wirklich hilft, die Verbreitung der bAV bei kleinen und mittleren Unternehmen zu fördern. Dass die Tarifpartner bei tarifvertraglichen Lösungen mitsprechen wollen, ist dagegen für mich selbstverständlich. Das findet bei den bestehenden Branchenversorgungswerken schon statt. Ich bezweifle eher, ob es hierfür gesetzliche Vorgaben braucht.
Die Gewerkschaften tun sich zurzeit noch schwer damit, der reinen Beitragszusage und damit dem Wegfall der bekannten Garantien zuzustimmen. Es deutet sich an, dass sie dafür eine Kompensation durch die Arbeitgeber verlangen werden. Eine zusätzliche Zahlung des Arbeitgebers könnte als Risikopuffer wirken und Schwankungen, zumindest gemessen am Eigenbeitrag der Arbeitnehmer, auffangen. Was halten Sie von einer solchen Strategie bei den künftigen Verhandlungen zum Sozialpartnermodell?
Diese Frage betrifft im Kern die Tarifparteien – auch da der Kabinettsentwurf des Betriebsrentenstärkungsgesetzes dies als Soll-Regelung offen lässt, ob und in welcher Höhe die Tarifvertragsparteien im Tarifvertrag einen gesetzlich nicht näher definierten Sicherheitsbeitrag des Arbeitgebers vorsehen. Als Produkt- und Lösungsanbieter bewegt uns hier besonders die Frage, wie ein solcher Sicherheitsbeitrag ausgestaltet werden soll und wie dieser den einzelnen Arbeitnehmern zugute kommen soll.