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Wieso handeln wir so unvernünftig?

Die Deutschen sind ziemlich gut informiert. Sie wissen, was ihnen schadet und was ihnen nützt. Doch warum handeln sie nicht danach? Ist der Mensch einfach nicht rational?

Die Rente wird später nicht reichen. Deshalb müssen wir bereits jetzt für die Altersvorsorge sparen. Irgendwie scheint das jeder zu wissen. Doch viele handeln nicht danach. Aber was ist der Grund für unser ständiges Fehlverhalten? Ist das Ganze ein psychologisches Problem?

Mit der menschlichen Irrationalität beschäftigt sich seit Langem der amerikanische Wirtschaftswissenschaftler Richard Thaler. Sein Fachgebiet ist dabei die Verhaltensökonomik. Er untersucht Situationen, in denen menschliches Handeln nicht rational zu erklären ist. Anders ausgedrückt: Thaler untersucht die Ökonomie des inneren Schweinehundes. Seiner geschätzten Meinung nach verhalten sich viele Menschen schlichtweg „ungezogen“. Sie tun nicht das, was logisch ist und somit das Beste für sie wäre. So essen sie fettiges Essen, obwohl sie wissen, dass das niemanden ein längeres Leben beschert. Sie rauchen, trotz der gesundheitlichen Risiken. Sie setzen sich zum Ziel, endlich etwas für die Rente zu sparen. Am Jahresende geben sie das Geld dann aber doch lieber für eine teure Reise aus.

Menschen sind keine rationalen Egoisten

So kam Thaler zum Titel seines Buches: „Misbehaving“, schlechtes Benehmen. Im vergangenen Jahr erhielt der Professor für seine Untersuchungen den Nobelpreis für Wirtschaft. Seine Theorie einer emotionsgesteuerten Menschheit steht im Kontrast zum sogenannten Homo oeconomicus. Jene Art neuer Spezies, die stets rational handelt und Entscheidungen trifft, die für sie die bestmöglichen Folgen erwarten lassen. Also der perfekte Entscheidungsträger. Er spielt in vielen Wirtschaftstheorien eine Rolle. Im wahren Leben aber „sind Menschen eben keine rationalen Egoisten“, so Thaler. Der Homo oeconomicus ist eben auch nur ein Mensch. Einer, der sich eine Küchenmaschine zum Schnäppchenpreis kauft und sie dann nach einmaligem Benutzen im Schrank verstauben lässt. So kann dann kaum noch von einem „Schnäppchen“ die Rede sein.

Besitzen ist schöner, als besitzen zu können

Viele Menschen erkennen dabei die Irrationalität ihres Verhaltens nicht. Thaler schildert dazu ein Beispiel aus seiner Studentenzeit. Zwei Freunde waren kostenlos an teure Eintrittskarten für ein Basketballspiel gekommen. Die Tickets wären bei einem Verkauf mehrere Hundert Dollar wert gewesen. Freund A entschied sich, zu dem Spiel zu gehen, und hatte großen Spaß. Freund B verkaufte die Karten und verdiente sich dabei eine goldene Nase. Beide Freunde hielten das Verhalten des anderen für bescheuert. Der Eine verstand nicht, wie sein Freund auf die Idee kommen konnte, er könne es sich leisten, zu dem Spiel zu gehen. Der Andere begriff nicht, wieso sein Freund nicht verstand, dass die Eintrittskarten kostenlos waren.

Thaler nennt das den Endowment-Effekt. Demnach schätzen Menschen Dinge als wertvoller ein, die sie bereits besitzen. Im Gegensatz zu Dingen, die sie besitzen könnten, die also verfügbar sind, ihnen aber noch nicht gehören. So gibt es beispielsweise auch mehr Steuerhinterzieher, wenn die Steuer nachgezahlt werden muss. Wer Vorauszahlungen tätigt und somit mit eventuellen Rückzahlungen rechnen kann, wird weniger kriminell.

Emotionen sind spannender als Fakten

Darüber hinaus unterscheiden Menschen zwischen statistischem und identifiziertem Leben. Was zunächst kompliziert ist, erklärt Thaler an einer einleuchtenden Gegenüberstellung. Ein sechsjähriges Mädchen bittet um Geld für eine lebensverlängernde Operation. Zahlreiche Menschen kommen dem nach und spenden. Im gleichen Atemzug wird berichtet, dass ohne Mehrwertsteuereinnahmen die Krankenhauseinrichtungen verfallen, was einen Anstieg vermeidbarer Todesfälle verursacht. Obwohl in beiden Fällen Leben auf dem Spiel stehen, vergießt im zweiten Szenario kaum jemand eine Träne oder zückt gar den Geldbeutel.

Folglich können wir es nicht akzeptieren, wenn ein identifiziertes Leben aufgrund von fehlenden finanziellen Mitteln ausgelöscht wird. Gleichzeitig aber nehmen wir täglich den Tod Hunderter statistischer Leben hin. Wenn das Problem nicht emotional aufgeladen ist, fällt es leichter, es zu ignorieren.


Richard Thaler, geboren 1945, ist Professor für Behavioral Science and Economics an der University of Chicago. Er zählt zu den weltweit führenden Experten für Verhaltensökonomik und war unter anderem Berater des US-Präsidenten Barack Obama. 2017 erhielt er für seine Forschungen zur Wirtschaftspsychologie den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften.

Das Buch „Misbehaving – The Making of Behavioral Economics“ erschien in der deutschen Erstauflage im April 2018 im Siedler Verlag.