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Zu alt für Aktien?

Wie in vielen Lebensbereichen existieren auch für die Geldanlage einige populäre Faustformeln, die von Beratern gern herangezogen werden. Ob die auf den ersten Blick eingängigen Regeln aber auch in der derzeitigen Niedrigzinsphase gültig sind, sollte man kritisch hinterfragen.

Gerade im aktuellen Zinsumfeld sind Aktien für Anleger eines jeden Alters unerlässlich. Die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen liegt im negativen Bereich. Eine Besserung wird von den meisten Experten in den nächsten Jahren nicht erwartet.

Dagegen bieten zum Beispiel Dividendenaktien aus dem deutschen Aktienindex Dax oder dem europäischen Euro Stoxx 50 Dividendenrenditen von deutlich über drei Prozent. Langfristig gibt es keine ertragreichere Anlage als Aktien. Nach Inflation bieten sie im Schnitt eine Rendite von rund sieben Prozent. Mit globalen Staatsanleihen, Gold oder Immobilien waren es langfristig durchschnittlich nur rund ein bis zwei Prozent pro Jahr.

Das vermeintlich schlechte Image der Aktie, gerade bei deutschen Anlegern, hängt mit den Schwankungen (Volatilität) der Kurse zusammen. Diese werden von vielen als zu risikoreich empfunden. Nach einer Untersuchung des Deutschen Aktieninstituts liegt die Wahrscheinlichkeit, dass es bei einem Aktieninvestment auf Sicht von zwölf Monaten zu einem Verlust kommt, bei immerhin 28 Prozent. Allerdings nimmt diese Verlustwahrscheinlichkeit mit zunehmender Haltedauer immer weiter ab.

Gleichzeitig nimmt die Wahrscheinlichkeit, Gewinne zu erzielen, stetig zu. Nach zehn Jahren zum Beispiel liegt die Verlustwahrscheinlichkeit nur noch bei fünf Prozent, nach 15 Jahren nahe null Prozent. Das bedeutet, je länger der Anlagehorizont eines Anlegers, desto eher eignen sich Aktien als renditestarke Kapitalanlage. Aus diesem Grund sind Aktien für junge Anleger, die einen Anlagehorizont von 30 oder 40 Jahren haben, für die Altersvorsorge besonders gut geeignet.

Steigende Lebenserwartung hilft

Die durchschnittliche Lebenserwartung ist in Deutschland in den letzten Jahrzehnten immer weiter angestiegen. Frauen, die heute 65 Jahre alt sind, haben im Durchschnitt noch eine Lebenszeit von über 21 Jahren vor sich. Bei Männern sind es etwas mehr als 18 Jahre. Zeit genug also, um zwischenzeitlich selbst starke Verluste bei Aktien noch aussitzen zu können. Auch dazu existieren aktuelle Untersuchungen. Demnach dauerte es bei einer Einmalanlage, unabhängig vom Einstiegszeitpunkt, nie länger als etwa zwölf Jahre, bis die Verluste wieder aufgeholt waren.

Selbst wer zum Hochpunkt im Jahr 2007 in den Dax eingestiegen war, lag schon 2013 wieder im Plus. Allerdings gibt es eine Einschränkung. Viele Rentner sind auf laufende Entnahmen aus dem angelegten Kapital angewiesen. Ein Einbruch von 50 Prozent oder mehr unmittelbar nach Beginn des Ruhestands trifft ein Portfolio mit einem vergleichsweise hohen Aktienanteil hart. Von solch einem Rückschlag kann es sich kaum noch erholen. Vor allem dann nicht, wenn die Aktienquote nach der gängigen Meinung kontinuierlich abgesenkt wird.

Studienergebnisse überraschten

In einer aufwendigen Simulation haben die beiden US-Finanzprofessoren Wade Pfau und Michael Kitces untersucht, welche Aktienquote für angehende Rentner in verschiedenen Kapitalmarktumfeldern über 20, 30 oder 40 Jahre optimal wäre, wenn man jedes Jahr vier oder fünf Prozent des anfänglich investierten Vermögens entnimmt. Die Ergebnisse der Studie überraschten. In der überwältigenden Mehrheit der Fälle ist nicht eine zunächst hohe und dann allmählich sinkende Aktienquote ratsam, damit das Geld tatsächlich bis zu 40 Jahre reicht. Das Gegenteil wäre optimaler gewesen. Die Simulation zeigte eindrucksvoll, dass es günstiger ist, mit einem vergleichsweise niedrigen Aktienanteil von lediglich 20 Prozent in den Ruhestand zu starten und diesen Anteil dann Jahr für Jahr zu steigern. Dadurch wird das Risiko, sofort nach der Investition bei einem Einbruch im Aktienmarkt hohe Verluste zu erzielen, reduziert. Umgekehrt fallen nach einigen guten Aktienjahren mögliche Einbrüche nicht mehr so stark ins Gewicht.

Feste Entnahmen wirken prozyklisch und damit ungünstig

Auch bei Entnahmeplänen wirkt der Durchschnittskosteneffekt. Er ist vor allem bei Fondssparplänen bekannt. Wer jeden Monat einen bestimmten Betrag in einen Investmentfonds investiert, kauft automatisch bei tiefen Kursen viele Anteile und bei hohen nur wenige. Dadurch verhält man sich als Anleger antizyklisch. Der gleiche Effekt tritt bei Entnahmeplänen auf. Dabei allerdings wirkt der Entnahmeplan prozyklisch und damit ungünstig. Wer jeden Monat einen fixen Betrag bei zugleich schwankenden Kursen aus seinem Portfolio entnimmt, verkauft auch bei niedrigen Kursen besonders viele Anteile und bei hohen Kursen besonders wenige. Durch die gleichzeitig steigende Aktienquote kontert man diesen vermögenszehrenden Effekt. Es ist also von Vorteil, mit zunehmendem Alter den Aktienanteil graduell und stetig zu erhöhen.

Was ist eigentlich riskanter: Aktien oder Anleihen?

Diese Vorgehensweise gilt jedoch nur Anleger, die mit Eintritt in den Ruhestand erstmalig über eine Anlage in Aktien nachdenken. In Deutschland könnten viele eine solche Überlegung anstellen. Nach den Daten des Deutschen Aktieninstituts besitzt gerade einmal jeder 13. Deutsche über 60 direkt oder indirekt Aktien. Wer jedoch bereits in frühen Jahren stetig sein Aktienportfolio aufgebaut hat, kann im Ruhestand eine hohe Aktienquote beibehalten. Nach Haltedauern von 20 Jahren oder länger geht die Wahrscheinlichkeit mit einem Aktiendepot ins Minus zu geraten gegen null. Wichtig ist dabei lediglich, auf eine ausreichend breite regionale und sektorale Streuung der Aktien zu achten. Jeder Anleger muss sich in diesen Tagen die Frage stellen, was am Ende riskanter ist. Staatsanleihen mit Renditen unterhalb der Teuerungsrate, aber immer größeren Ausfallwahrscheinlichkeiten, oder Aktien, mit denen immerhin noch die Chance auf einen realen Werterhalt des Kapitals plus ein bisschen mehr besteht. Zu alt für Aktien ist man dabei nie.


Gastautor Markus Richert ist Seniorberater Vermögensverwaltung bei der Portfolio Concept Vermögensmanagement GmbH in Köln. Weitere Beiträge von ihm und anderen Vermögensverwaltern finden Sie auf www.v-check.de.