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Richtige Reaktion auf Negativzinsen

In Deutschland besteht nach wie vor eine einlagenlastige Vermögensaufteilung.

Etwa 6,5 Billionen Euro sind in Immobilienvermögen allokiert. Das liquide Vermögen der Bundesbürger, das in etwa genauso groß ist, verteilt sich auf Versicherungen, Aktien, Anleihen und Bausparverträge. Davon liegen ca. drei Billionen Euro auf Giro-, Spar-, Anlage- und Festgeldkonten.

Die Sparquote ist aufgrund des Konsumausfalls des letzten Jahres so hoch wie nie. In der Eurozone liegt allein der Anteil der Spareinlagen bei 585 Milliarden Euro. Insgesamt haben die Banken der Eurozone im Jahr 2020 rund 8,5 Milliarden Euro Negativzinsen an die EZB gezahlt.

Auch kleinere Beträge betroffen

Da ein Teil dieser Einlagen bei der EZB als Pflichteinlage, die als „Mindestreserve“ oder „Reserve-Soll“ bezeichnet wird, zu hinterlegen ist und hierfür Sollzinsen berechnet werden, geben die Kreditinstitute diese Aufwendungen zunehmend an ihre Kundschaft weiter. Insbesondere Volksbanken und Sparkassen, die in Deutschland einen Großteil der Bankkunden betreuen, sind hiervon überproportional betroffen und berechnen mittlerweile auch für kleinere Volumina ab 10.000 oder 50.000 Euro 0,50 Prozent Negativzinsen bzw. Verwahrentgelte. Aber auch bei Privatbanken oder bekannten Online-Banken wie Commerzbank oder ING gelten entsprechende Konditionen.

Ausweichstrategien werden rar

Die Variante, bei einer Zweitbank ein Anlage- oder Festgeldkonto zu eröffnen und so das Vermögen zu verteilen, funktioniert schon länger nicht mehr. Banken eröffnen solche Konten nur für Kunden mit einem Girokonto. Bargeld in Schließfächer einzulagern, wird angesichts dramatisch sinkender Filialzahlen, steigender Jahresgebühren und teilweise notwendiger Terminvereinbarung, um an das eigene Schließfach zu gelangen, erschwert.

Skurrile Kundengespräche

Bankangestellte berichten zunehmend von Gesprächsterminen bei denen Neukunden ein Girokonto eröffnen wollen, aber auf den Konto-Umzugs-Service verzichten. Man wolle den Umzug selbst durchführen, heißt es dann. Übersetzt bedeutet das: Es geht gar nicht ums Girokonto. Diese Kunden suchen lediglich einen Ersatz für reine Anlagekonten. Die Kontoführungsspesen sind eben niedriger als 0,50 Prozent Sollzinsen.

Anlage- und Festgeldkonten im europäischen Ausland

Über Plattformen wie www.weltsparen.de können Sparer relativ einfach Konten bei verschiedenen europäischen Banken eröffnen. Die Konditionen sind auch hier nicht wirklich überragend, wirken aber im Vergleich zu minus 0,5 Prozent auf einlagenaffine Kunden attraktiv. Aber eine Geldanlage, die zumindest einen Inflationsausgleich bietet, ist auch das nicht. Außerdem können ausländische Quellensteuern in einigen Ländern anfallen. Um dies zu vermeiden, sind bei der Kontoeröffnung gegebenenfalls zusätzliche Formulare auszufüllen.

Gefahr durch unseriöse Anbieter

Das niedrige Zinsniveau erhöht leider auch die Bereitschaft, vermeintlich sichere Investments im Segment Edelmetalle oder als Festgeld getarnte Direktinvestments zu tätigen. Obwohl die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) sich in letzter Zeit nicht mit Ruhm bekleckert hat und auch nicht für alles zuständig ist, ist zumindest ein Blick auf die Internetseite www.bafin.de hilfreich. Unter der Rubrik „Verbraucher“ finden sich unter anderem unter dem Reiter „Warnungen & Aktuelles“ relevante Hinweise auf unseriöse Anbieter. Zusätzlich sollten interessierte Anleger zuerst einen Blick auf das Impressum der jeweiligen Internetseite werfen, um festzustellen, welche Erlaubnisse nach der Gewerbeordnung oder dem Kreditwesengesetz überhaupt vorhanden sind. Fehlen entsprechende Angaben, ist tendenziell Vorsicht geboten.

Grundsätzliche Vermögensallokation überdenken

Das alles dient aber lediglich zur Vermeidung von Negativzinsen oder bringt nur minimale Erträge, die trotzdem zu einer negativen Realverzinsung führen. Privatanleger sollten von den genannten Ausweich- und Vermeidungsstrategien, die letztlich nur den Verwaltungs- und Beobachtungsaufwand sowie die Anzahl der Bankverbindungen erhöhen und keinen echten Mehrwert bieten, absehen und zu gut diversifizierten Depotstrukturen übergehen. Als Einstieg sollte ein Portfolio mit mindestens 25 Prozent internationalen Aktien oder Aktienfonds, vorzugsweise mit aktiven Anlagestrategien, gewählt werden. Diese Aktienquote ist zwar eigentlich noch zu niedrig, aber zumindest ein erster richtiger Schritt. Ergänzt wird das Portfolio durch aktive internationale Rentenfonds. Nachhaltige Strategien sollten berücksichtigt werden.

Um das Timing-Risiko zu reduzieren, kann der Depotaufbau auch oder zusätzlich über Fondssparpläne erfolgen. Bei Angestellten in stabilen Vertragsverhältnissen, Beamten oder Rentnern und Pensionären sollte Liquidität in einer Größenordnung von drei Gehalts- oder Renteneingängen ausreichend sein. Selbstständige oder Hauseigentümer benötigen etwas mehr Rücklagen. Hierfür sind dann wohl mittelfristig Nullrenditen oder Negativzinsen zu akzeptieren.

Gastautor Andreas Görler ist Senior-Wealth-Manager und zertifizierter Fachmann für nachhaltige Investments bei der Wellinvest- Pruschke & Kalm GmbH in Berlin.