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Ob Wetter oder Depot – jährlich grüßt das Murmeltier

In Nordamerika, vornehmlich in Pennsylvania und Teilen von Kanada, wird seit 1887 einmal im Jahr der Groundhog Day (Murmeltiertag) gefeiert. Es ist ein kulturelles Ereignis, das am 2. Februar jeden Jahres begangen wird, um eine Vorhersage über die Fortdauer des Winters zu treffen.

Wenn das Tier „seinen Schatten sieht“, das heißt, wenn die Sonne scheint, soll der Winter noch weitere sechs Wochen dauern. Eine Studie mit Wetterdaten hat die Trefferquote der Murmeltiere analysiert und ergab eine Wahrscheinlichkeit von 37 Prozent, dass die Vorhersage am Groundhog Day zutrifft. Besser ist die Quote, wenn es um die Vorhersage geht, wann der durchschnittliche deutsche Anleger in seinem Depot auf den Panikknopf drückt.

Solange die Kurse nach oben zeigen, lehnen sich die meisten Anleger entspannt zurück. Doch geht es in die andere Richtung, kommt plötzlich Panik auf. Sofort verkaufen, lautet dann die weit verbreitete Reaktion. Auch dann, wenn man das Geld gar nicht benötigt und die ursprüngliche Anlagedauer viel länger geplant war.

Erstmal Gewinne sichern und dann beim Tiefststand wieder einsteigen, so lautet der ambitionierte Plan vieler Hobbyinvestoren. Leider funktioniert diese auf den ersten Blick plausible Strategie im wahren Leben selten. Wer schlauer sein will als der Markt, hat schon verloren. So lautet ein Behavioral-Finance-Lehrsatz.

Hin und Her macht Taschen leer

Der Grund: Börsenkurse entwickeln sich nicht immer rational. Die Idee des Market-Timing klingt zudem zu einfach, als dass sie nachhaltig erfolgreich wäre. Auch wenn viele Anleger immer wieder gerne Geschichten von erfolgreichem Timing zum Besten geben, in der Realität sind solche Erfolge zufällig und taugen nicht als Strategie. Untersuchungen haben gezeigt, dass diese Methode, den Markt zu schlagen, teuer ist. Im Durchschnitt verlieren Anleger drei Prozentpunkte gegenüber dem Index, den sie eigentlich schlagen wollten.

Das hektische Hin und Her verursacht hohe Kosten, die bereits einen Großteil der erwarteten Rendite auffressen. Ein Blick in die Statistik offenbart, dass die Konzentration auf den richtigen Ein- und Ausstiegszeitpunkt in der Mehrzahl der Fälle wertvernichtend und nicht performancefördernd ist. Wer am Aktienmarkt langfristig investiert bleibt, macht somit vielleicht die eine oder andere Abwärtsbewegung mit, begeht aber nie den Fehler, zur falschen Zeit aus- und wieder einzusteigen. Wer sich einmal der Versuchung des Market-Timings hingibt, droht seine Performance durch wiederholte Transaktionen aufs Spiel zu setzen.

Disziplin ist die wichtigste Eigenschaft

Die wichtigste Eigenschaft von erfolgreichen Anlegern ist Disziplin. Gerade in einem volatilen Umfeld ist es wichtig, eine klare Zielsetzung für das eigene Depot zu haben und diese beharrlich zu verfolgen. Die entscheidende Frage, der sich jeder Anleger stellen muss, ist die Frage nach dem Anlagehorizont. Wann brauche ich mein Geld? Eine Einmalanlage in ein Aktiendepot sollte in der Regel nur dann vorgenommen werden, wenn der Anlagehorizont langfristig, das heißt mindestens zehn Jahre ist. Wenn man sich in seiner privaten Finanzplanung auf eine Laufzeit festgelegt hat, dann sollte diese nach Möglichkeit auch eingehalten werden. Wer sofort bei sinkenden Kursen in Panik gerät und voreilige Verkäufe durchführt, wird langfristig nicht den angestrebten und notwendigen Ertrag erzielen.

Hohe Renditeerwartung bedeutet hohes Risiko

Risiko ist das natürliche Pendant zur Rendite. Je höher die Renditeerwartung ist, desto stärker muss ein Investor bereit sein, das Auf und Ab der Kurse in seinem Depot zu akzeptieren. Eine realistische Einschätzung der persönlichen Risikotragfähigkeit ist in diesem Zusammenhang unerlässlich. Vieles deutet darauf hin, dass das Jahr 2022 an den Finanzmärkten wesentlich schwankungsintensiver wird als das letzte Jahr. Auf diese zunehmende Volatilität sollten sich Anleger rechtzeitig einstellen. Dafür hat sich ein privater Finanzplan als wirkungsvolles Instrument erwiesen. Ein Anleger, der Kenntnis über seine laufende Liquidität hat, ist in der Lage, auch kurzfristige Wertschwankungen in seinem Wertpapierdepot auszuhalten. Nur wer seine eigene Vermögensstruktur kennt, kann seine individuellen Risiken auch in seinem Depot einschätzen und ist damit immunisiert gegen unberechenbare Gefühlsausbrüche.

Wer rausgeht, muss auch wieder reinkommen

Ernsthafte und langfristig orientierte Anleger sollten sich immer an den legendären Satz des SPD-Urgesteins Herbert Wehner erinnern. „Wer rausgeht, muss auch wieder reinkommen“, rief er in einer Debatte 1975 einigen CDU-Abgeordneten hinterher, die aus Protest auf seine Rede das Plenum verließen. Auch wenn Herbert Wehner nicht als Finanzinvestor in Erinnerung geblieben ist, mit dieser Feststellung hatte er Recht. Wobei eine Rückkehr durch die Tür des Bundestages einfacher und preiswerter ist als eine erfolgreiche Rückkehr in den Finanzmarkt.

Warm anziehen sollten sich auf jeden Fall die Nordamerikaner. Murmeltier Phil hat für die nächsten sechs Wochen anhaltend kaltes Wetter vorhergesagt. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Murmeltier Recht behält, liegt bei 37 Prozent. Von dieser Erfolgsquote träumen viele Market-Timer.


Gastautor Markus Richert ist CFP® und Seniorberater Vermögensverwaltung bei der Portfolio Concept Vermögensmanagement GmbH in Köln. Weitere Beiträge von ihm und anderen Vermögensverwaltern finden Sie auf www.v-check.de.