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Nachhaltigkeit auf dem Vormarsch

Der Trend zu umwelt- und sozialverträglicher Geldanlage nimmt deutlich an Fahrt auf. Sogenannte ESG-Kriterien werden für Großanleger immer wichtiger.

Die Abkürzung steht für Environmental, Social and Governance, also Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung. Vielen institutionellen Investoren geht es heute nicht nur um Profit, sondern auch um die Frage, welche sozialen oder ökologischen Folgen ein Investment haben kann.

Auch für eine wachsende Zahl von Privatanlegern wird es immer wichtiger zu wissen, was mit dem angelegten Geld passiert. Dabei ist der Gedanke, bei einer Investition auch an umwelttechnische und gesellschaftliche Aspekte zu denken, nicht neu. Die Wurzeln reichen weit in die Vergangenheit zurück. Als „Vater“ der Nachhaltigkeit gilt der Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz (1645–1714) aus Freiberg. Er übertrug den Gedanken auf die Waldwirtschaft. Um ein nachhaltiges Handeln umzusetzen, sollte in einem Wald nur so viel abgeholzt werden, wie der Wald in absehbarer Zeit auf natürliche Weise regenerieren kann. So sollte sichergestellt werden, dass ein natürliches System in seinen wesentlichen Eigenschaften langfristig erhalten bleibt.

Auf die heutige Zeit bezogen kann Nachhaltigkeit als eine Form des ökologischen und ökonomischen Handelns verstanden werden, das gegenwärtigen und zukünftigen Generationen vergleichbare oder bessere Lebensbedingungen sichern soll, indem die notwendigen Ressourcen sorgsam verwendet und geschützt werden. Im Zentrum der Nachhaltigkeit stehen die Umwelt sowie wirtschaftliche und soziale Aspekte.

Kontroverse Diskussionen um den Begriff

Allerdings bietet diese Definition Raum für unterschiedliche Interpretationen. Aus diesem Grund ist es nicht verwunderlich, dass mittlerweile zahlreiche Begriffsdefinitionen kursieren. In Abhängigkeit ihres Ursprungs beziehen sich die jeweiligen Definitionen allerdings häufig nur auf Teilaspekte. Auch die anfängliche Schwerpunktsetzung auf CO2-Emissionen ist nicht hilfreich. Beispielsweise gibt es hier den grundsätzlichen Widerspruch zwischen einem Land wie Deutschland, das eine Energiewende durchgeführt hat, aber immer noch signifikante Stromerzeugung aus Kohlekraftwerken toleriert, und Frankreich, wo man darüber den Kopf schüttelt und auf die CO2-Neutralität von Kernkraftwerken verweist. Ernsthafte Nachhaltigkeitsinvestoren kommen aber mit Investments in Kernenergie sicherlich nicht klar.

EU-Kommission macht Druck

Fast jeden Tag finden sich Veröffentlichungen über Studien und Erkenntnisse zum Thema ESG. Immer mehr Unternehmen implementieren diese Kriterien in einzelne Produkte oder entscheiden sich dafür, das gesamte Anlageuniversum danach auszurichten oder zumindest zu filtern. Die Europäische Kommission hat mit dem Aktionsplan aus dem letzten Jahr ebenfalls Druck gemacht und will das Thema grundsätzlich in die Anlageberatung und Vermögensverwaltung integrieren.

Das kann man grundsätzlich befürworten. Allerdings wird es schwierig, wenn es darum geht, einheitliche Richtlinien zu finden, was man unter Nachhaltigkeit bei einer Geldanlage zu verstehen hat. Für Banken, Vermögensverwalter und Anlageberater wird es allerdings herausfordernd, die Beratungsdokumentation, die Geeignetheitsprüfung und das Vertragswerk auf dieses Thema umzustellen. Zumal im Jahr 2018 bereits MIFID II und das Investmentsteuerreformgesetz umgesetzt werden mussten. Der Kölner Vermögensverwalter Bert Floßbach hat auf dem Fondskongress in Mannheim bereits Bedenken geäußert. Er fürchtet ein „Regulierungsmonster“ auf die Finanzbranche zukommen.

Marketing oder ernsthafte Intention?

Formulierungen wie „wir haben jetzt auch nachhaltige Fonds“ oder „wir entwickeln ESG-konforme Portfolios“ klingen eher wie Werbebotschaften. Große Fondsgesellschaften haben es sich auf die Fahne geschrieben, die gesamte Fondspalette nachhaltig auszurichten. Nachhaltige Investoren der ersten Stunde wie Ökoworld oder die Triodos Bank erkannten allerdings bereits vor Jahrzehnten, dass es sich hier nicht um einen Filter handelt, der das Anlageuniversum einschränkt, sondern Mehrwert entsteht.

Ein Portfolio kann damit vor Risiken geschützt werden. Eine genauere Prüfung des Managements einer Aktiengesellschaft führt zu stabilen Erträgen. Firmen, die ihre Mitarbeiter ordentlich behandeln, haben eine geringe Mitarbeiterfluktuation und weniger Kosten für Abfindungen oder Arbeitsgerichtsprozesse.

Themen wie Dieselgate, Bayer-Monsanto und ähnliche kostspielige Reputationsrisiken bleiben einem Anleger dann auch höchstwahrscheinlich erspart. Eingesetzte Nachhaltigkeits- und Ethikbeiräte, die mit einem Vetorecht ausgestattet sind, helfen ebenfalls, entstehende Probleme bei Einzeltiteln zu erkennen und das Portfoliomanagement eines Fonds zu Umschichtungen anzuhalten.

Klare Meinung notwendig

Fazit: Wer es mit dem nachhaltigen Investieren ernst meint, sollte zunächst auch eine klare Meinung haben und diese gegenüber einem Berater oder einem Vermögensverwalter kommunizieren. Gegebenenfalls auch äußern, welche No-Gos es gibt. Einfache Best-in-Class-Konzepte oder Ausschlusskriterien wie „keine Streumunition“ reichen heute leider aus, um in die Kategorie „Nachhaltige Investments“ aufgenommen zu werden, genügen aber nicht, um eine Depotausrichtung zu erreichen, die konsequent ökologisch, ethisch und sozial ausgerichtet ist.

Der Fokus sollte in diesem Segment auf aktiv gemanagten Fonds liegen. Nur da werden alle Elemente, die für eine seriöse Berücksichtigung der ESG-Kriterien Verwendung finden, eingesetzt. Passive, rein quantitative Ansätze erscheinen in diesem Segment dagegen als zu oberflächlich.


Gastautor Andreas Görler ist Senior-Wealth-Manager bei der Wellinvest – Pruschke & Kalm GmbH in Berlin.