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Nachhaltige Anlagen im Fokus

Einer der großen Gewinner bei der Europawahl waren die Grünen. Bei ihrem Erfolg handelt es sich wohl kaum um eine Eintagsfliege, sondern um eine langfristige Entwicklung. Immer mehr Menschen fordern ein nachhaltiges Wirtschaften. Das wirkt sich auch auf die Kapitalanlagen aus.

Bei der Europawahl schnitten in Deutschland die Grünen noch vor der SPD als zweitstärkste Partei ab. Bei den unter 30-Jährigen eroberten sie sogar den Spitzenplatz. Das zeigt, dass weitaus mehr Menschen als die Schüler bei den Fridays for Future-Protesten Klimaschutz und einen nachhaltigen Umgang mit der Umwelt fordern. Das Thema Nachhaltigkeit ist unmittelbar mit dem Klimaschutz verknüpft, geht aber weit darüber hinaus.

Ein wesentlicher Treiber dieser Entwicklung ist die immer strenger werdende Regulierung. Beispiel Autoindustrie: Ab dem kommenden Jahr gilt für die Flotten der Autohersteller in der EU ein Grenzwert von 95 Gramm CO2 pro Kilometer. Den Herstellern, die diesen Wert überschreiten, drohen saftige finanzielle Strafen. Das ist ein wesentlicher Grund dafür, warum die Autoproduzenten scharf in Richtung Elektromobilität umsteuern.

Ein weiterer wichtiger Grund ist die Nachfrage. Die großen deutschen Autokonzerne werden derzeit von Bestellungen für ihre neuen E-Autos regelrecht überrollt. Schon kurz nach dem Verkaufsstart des e-tron überlegt sich das Audi-Management, die Produktion in dem Werk in Brüssel, wo der Elektro-SUV produziert wird, von 20 auf 24 Fahrzeuge pro Stunde hochzufahren. Porsche hat sogar angekündigt, die Produktionskapazität für den Taycan von 20.000 auf 40.000 pro Jahr zu verdoppeln. Dabei wird der elektrisch angetriebene Sportwagen erst auf der IAA im September vorgestellt. Auch Mercedes kann nicht so viele EQCs liefern, wie die Kunden bestellen.

Soziale und ökologische Rendite

In der Finanzindustrie sieht es ganz ähnlich aus. Auch hier sorgen die Regulierung und die Nachfrage der Anleger für ein enormes Wachstum sozial und ökologisch verträglicher Produkte. Die EU plant die Einführung von Finanzmarktrichtlinien hinsichtlich ESG, also Umwelt, Soziales und Corporate Governance. Gleichzeitig verlangen immer mehr Anleger von ihren Investments nicht nur eine finanzielle, sondern auch eine soziale und ökologische Rendite. Das hängt zum einen damit zusammen, dass immer mehr Menschen auch einen positiven Einfluss auf die Gesellschaft und die Umwelt nehmen wollen. Zum anderen setzt sich die Erkenntnis durch, dass nachhaltiges Investieren nicht zu Lasten der Rendite geht, sondern diese tendenziell eher unterstützt.

Norwegischer Staatsfonds als Vorreiter

Noch sind bei diesem Thema institutionelle Investoren federführend. Vorreiter ist der norwegische Staatsfonds. Die eine Billion Dollar schwere Geldsammelstelle kündigte im vergangenen Jahr an, nur noch in Unternehmen zu investieren, die streng nachhaltig wirtschaften. Aber auch immer mehr Versicherungen schwenken um in Richtung Nachhaltigkeit und verabschieden sich zum Beispiel von Investments, die auf fossiler Energie beruhen. Auch Privatanleger wollen zunehmend nachhaltig investieren.

Trend treibt die Kurse

Wie stark sich dieser Trend auf die Finanzmärkte auswirken kann, lässt sich an zwei gegensätzlichen Extrembeispielen zeigen. Die Aktie von Beyond Meat kam vor Kurzem zu einem bereits angehobenen Ausgabepreis von 25 Dollar an die Börse. Mittlerweile notiert der Kurs im Bereich von fast 100 Dollar. Der Hersteller innovativer und vor allem vegetarischer Burger-Patties, die wie Fleisch aussehen und schmecken sollen, wird an der Börse mit fast sechs Milliarden Dollar bewertet. Zum Vergleich: Das Unternehmen hat 2018 gerade einmal 88 Millionen Dollar umgesetzt und einen Nettoverlust von knapp 30 Millionen Dollar erwirtschaftet.

Bayer als Negativbeispiel

Wie extrem es aber auch in die entgegengesetzte Richtung laufen kann, zeigt derzeit der Chemiekonzern aus Leverkusen. Bayer kommt derzeit nur noch auf eine Marktkapitalisierung von gut 50 Milliarden Euro. Zur Erinnerung: Für die Übernahme des umstrittenen US-Herstellers von Saatgut und Herbiziden Monsanto zahlten die Deutschen 60 Milliarden Euro. Der Absturz der Bayer-Aktie ist wohl vor allem auf den enormen Image-Schaden zurückzuführen. Starinvestor Warren Buffet sagte einmal zu entsprechenden Risiken: „Es braucht 20 Jahre, sich eine gute Reputation zu erarbeiten, und fünf Minuten, sie zu zerstören.“

Verschiedene Auffassungen von Nachhaltigkeit

Die Investmentwelt lässt sich jedoch leider nicht so einfach in Gut und Böse einteilen, wie es diese beiden Beispiele nahelegen. Klar ist: Die Nachfrage nach nachhaltigen Investments steigt. Das wird sich immer spürbarer auf die Kurse der Unternehmen auswirken. Unklar ist dagegen, was eigentlich unter nachhaltigem Wirtschaften und Investieren zu verstehen ist.

So gelten in Deutschland nur regenerative Energien, also Wind-, Sonnen- und Wasserkraft, als umweltverträglich. Frankreich setzt dagegen massiv auf Kernkraftwerke, um die CO2-Emmissionen zu beschränken. Auch im angelsächsischen Raum gilt Kernkraft vielfach als ökologische Energiequelle. So einfach ist es offensichtlich nicht, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden. Insofern ist sowohl der Anleger als auch der Vermögensverwalter gefragt, sich hier eigene Gedanken zu machen und möglichst konkrete Regeln aufzustellen.


Gastautor Thomas Buckard ist Vorstand bei der MPF AG in Essen.