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„Kaum Anzeichen für eine Emissionseuphorie“

Aktienanlage

Claus Walter, Vorsitzender der Geschäftsleitung der Freiburger Vermögensmanagement GmbH erklärt, warum Anleger Börsengänge mit Vorsicht analysieren sollten und wann sie ein Hinweis für Marktübertreibungen sein können.

Nehmen Börsengänge nicht üblicherweise vor einem Crash zu?

Tatsächlich war die IPO-Tätigkeit kurz vor Abstürzen immer am höchsten, etwa vor dem Platzen der Dotcom-Blase oder dem Neuen Markt-Kursrutsch. Gefährlich wird es dann, wenn  Phantasieunternehmen kommen und Anleger anfangen, diese Aktien blind zu zeichnen, ohne einen analytischen Blick auf die Geschäftsmodelle zu werfen.

Ist es also ein Warnsignal, wenn Unternehmen wie der Musikstreamingdienst Spotify, der bisher nur Verluste einfährt, an die Börse drängen?

Natürlich erinnert einen das schon so etwas an die Zeiten des Neuen Marktes, als haufenweise Börsengänge anstanden von Unternehmen, die auf absehbare Zeit kein Geld verdienen konnten. Ganz so dramatisch sehe ich die Lage aktuell aber nicht. Anlaufverluste müssen nicht per se ein Warnsignal sein. Wichtig ist eine realistische Perspektive, dass zum Beispiel schnelles Wachstum das Unternehmen demnächst in die Gewinnzone führt. Dann kann ein Börsengang die Schuldenlast senken und langfristig helfen. Beim Einzelfall Spotify ist angesichts der Konkurrenz durch Apple und Amazon allerdings schon eine Portion Fantasie nötig, wie die Gewinne in Zukunft strömen sollen.

„Problematisch wird es, wenn Anleger nur auf vage Hoffnungen setzen.“

Woran sind problematische IPOs zu erkennen?

Wenn bei der Preisbildung realistische Gewinnerwartungen ausgeblendet und nur auf vage Hoffnung gesetzt werden soll. Dann ist höchste Vorsicht geboten. Aber momentan sehe ich noch kein Anzeichen für eine globale Emissionseuphorie. In Teilen des US-Technologiesektors mag es eine erste Tendenz in diese Richtung geben. Aber wenn man sich die Lage in Deutschland ansieht, lässt sich nicht wirklich von einer außergewöhnlichen Zunahme von Börsengängen sprechen.

Ist das Zeichnen neuer Aktien überhaupt etwas für normale Anleger?

Das Risiko bei einem Börsengang ist in der Regel etwas größer als bei einem normalen Aktienkauf. Die Preisbildung wird unter anderem stark vom erfolgreichen Marketing und dem aktuellen Stimmungsumfeld geprägt. Im Gegensatz zu einem bereits notierten Unternehmen werden künftige Aktien eben noch nicht an einem breiten und relativ effizienten Markt gehandelt. Deswegen können Börsenstarts holprig sein. Um das zu verhindern, stützen Investmentbanken nicht selten die Anfangskurse, was aber keine Garantie für langfristige Kurserfolge gibt.

„Immer die tatsächlichen Chancen im Blick behalten.“

Zeichnen oder nicht – worauf achten Sie?

Natürlich hat ein Zeichnungsgewinn seinen Reiz, aber für uns sind die langfristigen strategischen Perspektiven eines Unternehmens entscheidend. Auch Privatanlegern würden wir empfehlen, nicht zu sehr auf gut vermarktete Hoffnungen zu setzen, sondern die tatsächlichen Chancen im Blick zu behalten, ob in absehbarer Zeit genug verdient werden kann, um die erwarteten Kurse zu rechtfertigen.