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Fehler bei der Depotstruktur vermeiden

Bis Anfang Oktober 2008 betrug der europäische Leitzins ungefähr vier Prozent. Heute rangiert er bei 0,00 Prozent. Dennoch bleiben die Deutschen ihren Sparbüchern, Tages- und Festgeldkonten treu.

Etwa drei Billionen Euro liegen mehr oder weniger ohne eine Bruttoverzinsung nutzlos auf Einlagekonten. Berücksichtigt man noch die vorhandene Inflation, ist die Realverzinsung deutlich negativ.

Paradoxerweise nehmen Sparer an, dass eine so lange Phase fallender Zinsen irgendwann zu Ende sein muss und dass die Zinswende endlich beginnt. Eine echte Zinswende, die auch signifikante Effekte bei der Altersvorsorge bringt, ist allerdings eher unrealistisch. Der Hauptgrund liegt in der hohen Verschuldung einiger Staaten der Eurozone. Niedrig- bzw. Negativzinsen werden daher eher zur Normalität.

Liquidität sollte in einer Portfoliostruktur daher als zinslose strategische Position gesehen werden, die zwischenzeitlich als Risikoschutz erhöht werden kann, um später Wertpapierpositionen aufzubauen. Im Alltag sollte nur so viel Geld auf Einlagekonten gehalten werden, wie für kurzfristige Ziele, wie eine Urlaubsreise oder überraschend auftretende Reparaturen, benötigt wird. Dafür sollte dann auch akzeptiert werden, dass man einen realen Wertverlust erleidet. „Kreative Lösungen“ als Liquiditätsersatz sollten besser gemieden werden.

Diversifikation als Schutz vor Verlusten

Ein Portfolio muss den persönlichen Zielen und Wünschen entsprechen. Weiterhin sollte die individuelle Risikotoleranz definiert werden, damit in einer Marktschwäche nicht panikartig verkauft wird. Einseitiges Investieren in eine Branche oder eine Anlageklasse muss vermieden werden. Privatanleger konzentrieren sich gern auf Branchen, mit denen sie emotional verbunden sind. Ein klassisches Beispiel sind in Deutschland Autoaktien, die in den letzten Jahren aber wenig Freude bereitet haben.

Korrelation der Investments beachten

Man erlebt immer wieder, dass Anleger sich Fonds-Hitlisten ansehen und unter den besten zehn Fonds zwei oder drei aussuchen. In einer Phase in der beispielsweise der europäische Aktienmarkt überdurchschnittlich läuft, kauft man dann aber vielleicht drei europäische Aktienfonds mit einer ähnlichen Struktur. Das macht so lange Spaß, wie dieses Segment in guter Verfassung ist. Bei einer Korrektur werden aber wahrscheinlich alle drei Produkte gleich schnell an Wert verlieren.

Ein  ETF- Depot aus MSCI-World, S+P 500 und Nasdaq würde amerikanische Titel stark übergewichten, hätte zu viele Überschneidungen und natürlich ein erhöhtes Dollar-Risiko. Eine geringe Korrelation der gewählten Assets ist unter Risikoaspekten deshalb vorzuziehen. Da man aber berücksichtigen muss, dass Unternehmen auch ihr Geschäftsmodell ändern können und Fondsmanager ihre Depots umschichten, müssen Anleger ihre Portfolios regelmäßig überprüfen. Für Fonds gibt es Korrelationstabellen in Fachmagazinen. Weiterhin halten einige Anbieter von Finanzportalen kostenfrei Übersichten parat, aus denen hervorgeht, wie sich ein ausgewählter Fonds innerhalb seiner Vergleichsgruppe entwickelt hat.

Extremsituationen müssen trotzdem ausgehalten werden

Bei einer Finanzkrise wie im Jahr 2007/2008 lag das Problem darin, dass die Störungen aus einem Marktsegment kamen, das man bis dahin als völlig konservativ und sicher eingestuft hatte, nämlich aus dem amerikanischen Häusermarkt. Genau genommen waren es nicht nur die Immobilienpreise und die Kredite mit niedriger Schuldnerbonität, sondern die Tatsache, dass Banken diese Risiken als Wertpapier verpackt auf die ganze Welt verteilten. Durch den immensen Vertrauensverlust verlor praktische jede Anlageklasse an Wert, außer klassische Einlagen. In solchen Fällen erleidet auch ein gut diversifiziertes Depot Verluste. Auch wenn es schwerfällt in dieser Situation, gilt es Ruhe zu bewahren und bewährte Fonds ebenso wie Aktien mit vorhandener Substanz, gutem Management sowie funktionierendem Geschäftsmodell keinesfalls zu verkaufen.

Automatisierte Anlageprozesse als Lösung?

Einerseits sind automatisierte Anlageprozesse besser als der Umstand, dass ca. drei Billionen Euro auf Giro-, Anlage- und Sparkonten Substanzverluste erleiden oder eine Billion Euro in Lebensversicherungen praktisch keine Rendite mehr erzielen. Andererseits bieten nicht alle automatisierten Prozesse auch eine regelmäßige Depotüberwachung oder gar eine notwendige Anpassung des Portfolios. Die Tatsache, dass fast alle Robo-Advisor auf ETF-Lösungen setzen, könnte in einer Baisse zu stärkeren Wertverlusten führen, als Anleger tolerieren. Schließlich kennen Einsteiger in diese neue Variante nur positive Marktszenarien, da wir uns seit acht Jahren in einem Bullenmarkt befinden.

Erwartungshaltung der Anleger ist relativ hoch

Bei repräsentativen Befragungen geben ca. 50 Prozent der Befragten an, dass sie für eine mittelfristige Anlage drei bis fünf Prozent Rendite erwarten. Selbst für konservative Investments sollen es schon zwei bis drei Prozent sein. Anspruch und Anlageverhalten laufen somit weit auseinander.

Fazit: Eine diversifizierte Depotstruktur mit niedrigen Korrelationen der eingesetzten Finanzinstrumente untereinander ist hilfreich, um langfristig stabile Wertentwicklungen zu erreichen und Negativentwicklungen abzufedern. Um zukünftig ordentliche Erträge zu erzielen, kommt man aber um eine höhere Aktienbeimischung und die damit verbundene höhere Volatilität des Portfolios nicht herum. Hier sind Einzelaktien von Unternehmen mit stabilen Geschäftsmodellen, entsprechende Aktienfonds und Mischfonds mit vermögensverwaltendem Ansatz erste Wahl. Auch aktive Rentenfonds  können immer noch Rendite bringen. Allerdings sollten Anleger dafür keinesfalls historische Wertentwicklungen in die Zukunft projizieren.


Gastautor Andreas Görler ist Senior-Wealth-Manager bei der Wellinvest – Pruschke & Kalm GmbH in Berlin.