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EZB gerät bei den Zinsen in eine heikle Lage

Märkte und Verbraucher erwarten schon länger die geldpolitische Wende, doch bisher hat sich die Europäische Zentralbank (EZB) immer geziert.

Erst auf der letzten EZB-Sitzung im März hat die EZB-Chefin Christine Lagarde ihre Tonalität etwas verändert.

Die monatlichen Anleihekäufe sollen in einigen Monaten eingestellt werden. Von einer Erhöhung der Zinsen war aber nicht die Rede. Die sich zuspitzende Ukraine-Krise verschärft jedoch eine Situation, die vorher schon kompliziert genug war: Die Inflation im Euro-Raum ist über fünf Prozent gestiegen und Daten wie etwa die Erzeugerpreise gewerblicher Produkte sprechen dafür, dass das noch anhält.  Die deutschen Erzeugerpreise lagen laut Statistischem Bundesamt im Januar, hauptsächlich von der teuren Energie getrieben, um 25 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats, das war der höchste Sprung seit 1949. Die Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale wächst.

Die EZB ist mit dem größten Teuerungsschub seit Einführung des Euros konfrontiert. Selbst wenn es gute Gründe für die Notenbank gibt, noch nicht zu handeln, macht sie sich doch einer kommunikativen Fehlleistung schuldig. Die EZB setzt ihre Glaubwürdigkeit aufs Spiel und geht ein sehr hohes Risiko ein.

Falsche Einschätzung der Inflation

In der Geldpolitik sind Worte fast genauso wichtig wie Taten. Mit gezielten verbalen Hinweisen lenken erfahrene Notenbanker die Märkte in die gewünschte Richtung. Das hilft, die eigentlichen geldpolitischen Entscheidungen vorzubereiten und abzufedern. Vorausgesetzt, die Investoren sind davon überzeugt, dass es sich niemals lohnt, gegen die Zentralbank zu wetten. Wird dieses Paradigma infrage gestellt, droht Chaos an den Märkten.

Dieser Effekt ließ sich zuletzt in den USA beobachten. Ähnlich wie Lagarde hatte sich Fed-Chef Jerome Powell frühzeitig auf die These festgelegt, die Inflation sei nur „vorübergehend“. Allerdings verloren die Märkte schnell den Glauben an diese Einschätzung. Damit stand der Verdacht im Raum, die Fed würde zu spät auf die Teuerung reagieren und später dann umso heftiger gegensteuern müssen, auch um ihre Glaubwürdigkeit im Kampf gegen die Inflation zu untermauern. Die Angst, dass auf eine Unterschätzung der Inflation eine Überreaktion der Geldpolitik folgen würde, reichte, um heftige Ausschläge an den Finanzmärkten auszulösen.

Investoren fehlt der Glaube

Viel zu lange hat auch Lagarde an ihrer Aussage festgehalten, es werde 2022 keine Zinserhöhung geben. Mit dieser Festlegung hat sie sich ihrer eigenen Flexibilität beraubt. Den Investoren fehlte längst vor Lagardes Relativierung nach der jüngsten EZB-Sitzung der Glaube an diese Botschaft. Viele halten angesichts der Inflationsdynamik mittlerweile sogar zwei Zinsschritte für gerechtfertigt.

Jetzt steckt die Notenbank in einer schwierigen Lage. Es stellt sich die Frage, ob der Wegfall der geldpolitischen Unterstützung in einer Situation ratsam ist, die von Krieg und Sanktionen gekennzeichnet ist. Eine zu schnelle Straffung der Geldpolitik würde die Stabilität der hochverschuldeten Euro-Länder gefährden, aber wenn Hinhaltetaktik zu Verwerfungen an den Märkten führt, droht genau der gleiche Effekt. 

Keine guten Nachrichten für Zinssparer

Fazit: Die EZB steht erst am Anfang eines waghalsigen Drahtseilakts – und hat sich bei den ersten Schritten bereits mehrere Wackler geleistet. Die Ukraine-Krise verschärft das Dilemma der EZB. Die horrenden Energiepreise nehmen die europäische Industrie schon jetzt in die Mangel. Da kann man nicht auch noch höhere Zinsen gebrauchen. Kann gut sein, dass Lagarde deshalb weitere Warteschleifen einlegt. Für Zinssparer gibt es deshalb immer noch keine guten Nachrichten. Europa hinkt den USA in Bezug auf höhere Zinsen mindestens ein halbes Jahr hinterher. Zinsanlagen bleiben weiterhin uninteressant, denn jeder Zinsschritt nach oben bedeutet Kursverluste bei Anleihen und Rentenfonds.


Gastautor Dr. Marc-Oliver Lux ist Vermögensverwalter bei der Dr. Lux & Präuner GmbH & Co. KG in München. Weitere Beiträge von ihm und anderen Vermögensverwaltern finden Sie auf www.v-check.de.