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Börsen-Hype oder Flaggschiffe der Zukunft?

Als im Dezember 2018 die Kurse der sogenannten FAANG-Aktien, also Facebook, Apple, Amazon, Netflix und Google (Alphabet) massiv einbrachen, war das für viele Börsenexperten die längst erwartete Korrektur nach dem steilen Anstieg der Vorjahre.

Logisch klingende Erklärungen gab es zuhauf. Zum einen hatte insgesamt die Stimmung der Anleger gedreht. Nach jahrelangem Party-Modus kamen Ende letzten Jahres dann im Umfeld von Handelskrieg, nachlassendem Wachstum und befürchteter Zinswende Sorgen auf, ob die Börsenbäume wirklich endlos weiter in den Himmel wachsen.

Insbesondere die von global anziehenden Inflationsraten begleitete Ankündigung eines geldpolitischen Kurswechsels der amerikanischen Zentralbank FED hatte das Potenzial, Börsenträume platzen zu lassen. Die niedrigen Zinsen der vergangenen Jahre haben billiges Geld in die Börsen getrieben.  Sie katapultierten dabei insbesondere die Kurse der Tech-Werte mit ihren verlockenden Wachstums-Stories durch die Decke. Ganz egal, ob sie Geld verdienten oder nicht.

Beste Beispiele sind Netflix und Tesla. Wie lässt sich erklären, dass Tesla eine höhere Marktkapitalisierung aufweist als BMW? Obwohl Tesla gerade mal 100.000 Autos baut und hohe Verluste macht. BMW aber hochprofitabel ist und jährlich über 2,5 Millionen Fahrzeuge produziert.

Absurde Missverhältnisse

Auch beim Vergleich von Netflix mit Walt Disney sehen wir ein ähnlich absurdes Missverhältnis. Netflix wies 2018 einen milliardenschweren negativen Free-Cashflow aus, während Walt Disney einen positiven Zufluss von zehn Milliarden US-Dollar erzielt. Dennoch lag die Marktkapitalisierung von Netflix dieses Jahr zeitweise höher als die von Disney.

Im Dezember 2018 erhielten Anleger in zehnjährigen US-Staatsanleihen risikolos mehr als drei Prozent Zins. Bei den gerade erwähnten Technologie-Titeln hingegen kauft man nur die Hoffnung auf zukünftigen Gewinn ein. Insofern schien alles absehbar und logisch,  da der Tech-Sektor im Vorgriff auf eine endlose Fortsetzung der Wachstums-Story absurd hoch bewertet war. Irgendwann, so konnte man lesen, endet eben jeder Hype, dass derjenige, der schon zu teuer gekauft hat, einen noch Dümmeren findet, der ihm seine Aktien zu noch höheren Preisen wieder abkauft.

Kleine Konsolidierung statt scharfer Korrektur

Aber erneut hat die Börsenentwicklung all diese Prognosen Lügen gestraft. Heute wissen wir, dass die US-Notenbank zurückgerudert hat. Sie wird geldpolitische Maßnahmen sehr sorgfältig bezüglich ihrer Auswirkungen auf Konjunktur und Börse abwägen. Inzwischen wissen wir auch, dass die „scharfe Korrektur“ zum Jahresausklang nicht mehr als eine kleine Konsolidierung war. Amazon oder Netflix erreichten im Tiefpunkt der Dezember-Korrektur ein Kursniveau, das immer noch beim Fünffachen des Aktienkurses Anfang 2015 lag. Alle FAANG-Aktien haben heute schon beinahe wieder die Höchststände aus 2018 erreicht, teilweise gar überschritten.

Bewertung im Auge behalten

Warum ist das so? Weil die Marktteilnehmer verstanden haben, dass insbesondere jene Unternehmen zukunftsfähig sind, denen es gelingt, unseren Alltag zu gestalten und mehr und mehr zu dominieren. Ich weiß nicht, wie Ihr Tag aussieht. Aber ich starte oft schon vor dem Frühstück mit einem Blick aufs iPhone (Apple), um Nachrichten zu checken und zu sehen, was es Neues gibt bei Freunden (WhatsApp = Facebook) und in der Welt (Google = Alphabet). Fast täglich bringt der Paketbote unkompliziert am Vortag online georderte Einkäufe (Amazon). An immer mehr Abenden chillen meine Kinder vor ihrer Lieblingsserie (Netflix).

Natürlich muss man als Anleger neben der Relevanz und Zukunftsfähigkeit des Geschäftsmodells auch die Bewertung im Auge behalten. Ein Unternehmen wie Netflix, das bisher noch Jahr für Jahr Millardenverluste schreibt, ist und bleibt ein hochriskantes Investment. Von den hochdefizitären Unternehmen Uber, Lyft oder Pinterest weiß man nicht, ob sie jemals profitabel sein werden.

Viel „dummes“ Geld im Umlauf

Im aktuellen Kapitalmarktumfeld – jüngst beim Börsengang – konnten die Unternehmen insgesamt fast 30 Milliarden US-Dollar einsammeln. Solche Summen lassen erahnen, wie viel „dummes Geld“ in Umlauf ist. Allein das bewusste Bewerben der Geschäftsmodelle mit dem Modethema „Digitalisierung“ hat die Anleger offensichtlich blind gemacht für die bilanziellen Fakten. Das erinnert stark an die im März 2000 geplatzte Technologieblase. Übrigens lag der Anteil der Unternehmen, die 2018 in den USA mit defizitären Bilanzen an die Börse gingen, bei traurigen 80 Prozent. Dass die Börsenstarts von Uber und Lyft spektakulär missglückt sind, zeigt aber auch, dass die Kapitalmärkte in der aktuellen Marktphase nur sehr bedingt bereit sind, rein auf Zukunftsphantasie hin Preisübertreibungen zu akzeptieren.

Markt korrigiert Übertreibungen

Eine vernünftige Aktienstrategie sammelt eben nicht blind alle Modethemen ein, sondern achtet auf Diversifizierung (Branchen, Regionen) und vor allem auf die Bewertung, also die Gegenüberstellung von Preis und Wert des Unternehmens. Langfristig korrigiert der Markt nämlich Kursübertreibungen und baut die Überbewertungen der Hype-Unternehmen auf ein gesundes Niveau ab. Neben den vermeintlich „schwungvollen“ Hoffnungsträgern sollten immer auch sichere Unternehmen mit soliden Bilanzen, starken strukturellen Wettbewerbsvorteilen und bewährten Geschäftsmodellen im Depot vertreten sein. Wer dazu dann noch Zeit und Nerven mitbringt, um zwischenzeitliche Kursschwankungen aussitzen zu können, wird kaum verhindern können, dass er an der Börse Geld verdient.


Gastautor Rainer Laborenz ist Geschäftsführer der azemos vermögensmanagement gmbh.