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Ohne Timing, aber mit Disziplin

Eine regelmäßige Überprüfung der Portfolioallokation ist sicherlich sinnvoll. Privatanleger schichten allerdings ihr Depot viel zu oft um und versuchen, die Kauf- und Verkaufskurse zu timen.

Obwohl die Ordergebühren in den letzten Jahren stark gesunken sind und Deutschland insgesamt eher günstige Bankspesen aufweist als beispielsweise Italien, Spanien, Österreich oder Frankreich, entstehen so durch das Timing unnötige Kosten. Außerdem sorgt die direkt abgeführte Abgeltungssteuer dafür, dass sich der Wiederanlagebetrag zunächst reduziert, sofern ein Gewinn realisiert wird, der die Freibeträge übersteigt.

Grundsätzlich sollte auf eine passende Allokation geachtet werden, die zu den Zielen und Wünschen passt. Wenn durch starke Kursveränderungen beispielsweise das Aktiensegment deutlich ansteigt, sollte geprüft werden, ob man Aktien oder Aktienfonds reduziert und in defensivere Anlagen umschichtet, bis die prozentuale Gewichtung der gewählten Anlageklassen wieder zu den eigenen Prioritäten passt.

Fundamental, nicht emotional

Außerdem können Umschichtungen aus fundamentalen Gründen durchgeführt werden, weil Geschäftsmodelle von Unternehmen nicht mehr funktionieren. Dann sollten Anleger sich konsequent von Positionen trennen. Wichtig dabei: möglichst nicht emotional handeln, nicht jedem Trend folgen und rationale Entscheidungen treffen. Bei der Auswahl von Einzeltiteln oder Fonds sollte man auch auf Zeiträume achten, in denen die Marktentwicklung negativ war und prüfen, wie das Management des Unternehmens oder der Portfoliomanager des Fonds reagiert hat. Wenn schon mal schwierige Marktphasen überstanden wurden, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass dies auch weiterhin klappt.

Kaufen, nicht verkaufen

Häufig ist es nicht nötig oder sinnvoll, in einer allgemeinen Marktschwäche Positionen aufzulösen. Außerdem ist darauf zu achten, ob es sich um exogene Effekte wie 9/11, Brexit oder eben aktuell die Pandemie handelt. Meist sind das eher Kaufgelegenheiten, auch wenn sich ein solcher Hinweis wenig empathisch anhört. Statt zu spekulieren, welche Firma in den kommenden Monaten am stärksten von einem möglichen Ende der Pandemie profitiert, sollte man sich darauf fokussieren, Unternehmen herauszufiltern, die möglichst planbare, nachhaltige Erträge erwirtschaften.

Investieren, nicht spekulieren

Bei Aktien von Fluggesellschaften, Gastronomie, Hotellerie, Reiseveranstaltern und Ölexploration, die sehr konjunkturabhängig sind, sollte es substanziellere Gründe geben, als ein vermeintlich nahendes Ende von Einschränkungen, um in diese Titel einzusteigen. Diese Unternehmen hatten meist schon vor der Pandemie Probleme, erfüllen oft nur wenige Nachhaltigkeitskriterien oder schaffen teilweise nur geringe Gewinnmargen. Der Kurs kann sich natürlich erholen, weil es Nachholeffekte gibt. Trotzdem bleiben es letztlich Unternehmen mit schwachen Fundamentaldaten. Das ist dann keine Investition, sondern eine Spekulation. Sie geht nur auf, wenn man sich dann rechtzeitig wieder davon trennt. Das gelingt selten und erzeugt unnötigen Stress.

Nicht jede Formel taugt

Brauchen Anleger in der Rentenphase einen festen Betrag oder wollen einen Auszahlplan gestalten, ist es sinnvoll, einige Jahre vor Rentenbeginn Umschichtungen in defensivere Anlagen wie Mischfonds, aktive Rentenfonds mit kürzeren Laufzeiten oder geldmarktnahe Fonds vorzunehmen. Das bringt natürlich weniger Rendite, erhöht aber die Wahrscheinlichkeit, dass das benötigte Ergebnis auch eintritt.

Auch Inhaber von fondsgebundenen Lebensversicherungen sollten unbedingt rechtzeitig die Grundstruktur ihrer Anlage überprüfen und gegebenenfalls in eine risikoärmere Strategie wechseln. Ältere Anleger sollten ebenfalls 30 bis 50 Prozent internationale Aktien bzw. entsprechende Fonds im Depot halten. Dabei sind eher das Verständnis und das tolerierbare Chance/Risikopotential entscheidend. Von Formeln wie Aktienquote gleich 100 minus Alter des Anlegers ist nichts zu halten. Dann besser sogenannte Value-Titel bzw. entsprechende Fonds vorziehen, die auch einen echten inneren Wert haben. Meist handelt es sich dabei zugleich um Unternehmen, die eine ordentliche, stabile Dividende zahlen.

Es geht auch ohne viele Umschichtungen

Letzteres kann wichtig sein, wenn man in der Rentenphase  aus dem Depot regelmäßige Beträge entnehmen möchte. Die Zeiten, in denen man mit einem reinen Rentendepot interessante Renditen bei vergleichsweise niedriger Volatilität erreichen konnte, sind vorbei.

Fazit: Disziplinierte, nicht emotionale Ansätze, die sich nach fundamentalen Wirtschafts- oder Unternehmensdaten und persönlich aufgestellten Prioritäten richten, verdienen den Vorrang. Bei einer guten, breit gestreuten Depotstruktur ist es dann auch nicht nötig, viele Umsätze zu tätigen. Erfolgt der Depotaufbau auch mit regelmäßigen Sparplänen auf Fonds oder Einzelaktion, reduziert sich das Timingrisiko zusätzlich.


Gastautor Andreas Görler ist zertifizierter Fachmann für nachhaltige Geldanlagen und Senior-Wealth-Manager bei der -Wellinvest- Pruschke & Kalm GmbH in Berlin. Weitere Beiträge von ihm und anderen Vermögensverwaltern finden Sie auf www.v-check.de.