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Vorschusslorbeeren für Heil

Fast wäre der SPD bei der Benennung ihrer Mitglieder für das Bundeskabinett ein personalpolitischer Coup gelungen. Nun ist Heil der Hoffnungsträger.

Die Führung mit Andrea Nahles und Olaf Scholz sah für das einflussreiche Amt des Bundesarbeitsministers den Vorsitzenden der IG Bergbau, Chemie und Energie, Michael Vassiliadis, vor. Doch der ebenso moderate wie innovativ denkende Gewerkschaftsführer lehnte ab. Er hätte die Kompetenz und Durchsetzungskraft eines Walter Riester gehabt. Eigenschaften, die der Chef eines Ressorts mit 135 Milliarden Euro zur Neuorientierung der vom digitalen wie demografischen Wandel gleichermaßen erfassten Veränderung der Sozialsysteme dringend braucht.

So sucht die SPD ihr Heil in dem gleichnamigen niedersächsischen Parlamentarier. Hubertus Heil war zweimal Generalsekretär. Er musste 2009 eine ebenso bittere Niederlage mitverantworten wie bei der letzten Bundestagswahl an der Seite von Martin Schulz. Mit seiner jetzigen Berufung wurde der Braunschweiger Politikwissenschaftler, der dem Netzwerk Berlin angehört, auch für mehrere innerparteiliche Frustrationen entschädigt. Die Abfuhr für Außenminister Gabriel half ihm zudem auf der niedersächsischen Proporz-Schiene. Heil muss einen mit sozialpolitischen Wohltaten gespickten Koalitionsvertrag erfüllen. So gibt es künftig eine Grundrente, die allerdings nur Senioren zustehen soll, die über 35 Jahre lang gearbeitet haben. Da aber aus dieser Zielgruppe nur eine überschaubare Zahl bedürftig ist, dürften sich die Zusatzkosten in Grenzen halten. Teurer wird da schon die Ausweitung der Mütterrente, wobei noch unklar ist, wie viel das die Rentenkasse kostet oder den Bundeshaushalt belastet. Schon heute wird der Generationenvertrag mit rund 100 Milliarden Euro aus dem Bundessäckel gespeist.

Mogelpackung Sicherungs-Niveau

Eine Mogelpackung, die sich als Beruhigungspille für die SPD-Basis vor dem Mitgliederentscheid gut machte, ist freilich die Vereinbarung, das Rentensicherungsniveau bis 2025 bei 48 Prozent zu halten. Da die Rentenversicherung bis 2024 Stabilität auf dem heutigen Niveau zugesichert hat und eine noch einzusetzende Rentenkommission ab dem Jahr 2025 einen neuen Vorschlag machen soll, wird Heil bei diesem Thema geschickt mit den Realitäten umgehen können.

Länger arbeiten unumgehbar

Sorgen machen muss ihm die Zukunftsblindheit seiner Genossen, die trotz der dramatischen Alterung der Gesellschaft eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit schlicht zum Tabu erklärt haben. Die meisten OECD-Staaten agieren da vernünftiger. Die Deutschen scheinen auch längst weiter als ihre Regierung zu sein. Die jüngste Studie der Bertelsmann-Stiftung zeigt, dass immer mehr Menschen bereit sind, länger als gesetzlich vorgeschrieben tätig zu sein. Mit Arbeit gegen Altersarmut, das wird das Zukunftsthema sein. Eigentlich müsste Heil als Anhänger der Sozialen Marktwirtschaft das erkennen.

In einem Buch über progressive Wirtschaftspolitik hat er sich bereits 2011 dafür ausgesprochen, die „Tragfähigkeit der sozialen Sicherungssysteme zu verstärken, ohne zugleich den Faktor Arbeit unverhältnismäßig stark zu belasten.“ Aufgrund des demografischen Wandels entstehe eine Nachhaltigkeitslücke, ein finanzielles Defizit bei der Sozialversicherung. Angesichts solcher Ansichten sollte sich der Abgeordnete des Wahlkreises Gifhorn-Peine bei einer zusätzlichen Belastung von Beitrags- und Steuerzahlern von über zehn Milliarden Euro Sorgen um die Solidität der Finanzpolitik in der Zukunft machen. Heil gilt jedenfalls als nüchterner Pragmatiker, kann – so Andrea Nahles – „gut mit den Sozialpartnern“ und ist ein starker Verhandler. Mehr Vorschusslorbeeren kann man kaum bekommen.

Neue Spitze im Ausschuss

Da die Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Arbeit und Sozialordnung, Kerstin Griese, als Parlamentarische Staatssekretärin mit Heil ins Ministerium geht, ist eine Neubesetzung an der Spitze dieses Gremiums erforderlich. Der Posten steht den Sozialdemokraten zu. Neuer stellvertretender Vorsitzender wurde der Kölner Abgeordnete der LINKEN, Matthias W. Birkwald. Griese löst im Ministerium Gabriele Lösekrug-Möller (SPD) ab. Die bisherige Staatssekretärin Anette Kramme verbleibt im Amt.