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SV-Beiträge ohne Grenzen – CDU-Politiker preschen vor

Die CDU-Bundestagsabgeordneten Dr. Markus Reichel und Kai Whittaker wollen die finanzielle Basis der Sozialversicherungen in Deutschland radikal umbauen. Dazu haben sie vor wenigen Tagen einen Vorschlag veröffentlicht.

Die SV-Beiträge sollen künftig auf sämtliche Einkünfte erhoben werden. Im jetzigen System stammen Einnahmen der Sozialversicherungen zum überwiegenden Teil aus den Löhnen und Gehältern, hälftig finanziert von Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Hinzu kommen in der Rentenversicherung und zu einem kleinen Teil auch in der Krankenversicherung Mittel aus dem Bundeshaushalt.

Diese lohnbezogene Abhängigkeit der SV-Beiträge wollen die beiden CDU-Politiker beenden und damit zugleich die Beitragslast spürbar senken. Mit ihrem Konzept unterscheiden sie nicht mehr, ob man Geld in abhängiger Beschäftigung, als Selbständiger oder durch Kapitaleinkünfte erzielt. Grundlage für die Berechnung der SV-Beiträge, die eine Person zahlt, sind alle Einkünfte im Laufe eines Jahres. Das Konzept der beiden konservativen Politiker ähnelt frappierend Vorschlägen, die bislang von der linken politischen Flanke vorgetragen wurden.

Nach den Berechnungen von Reichel und Whittaker ließe sich damit die Beitragslast von derzeit mehr als 40 Prozent auf 27,6 Prozent senken. Obendrein würde der staatliche Steuerzuschuss obsolet. Zu ihrem Ergebnis kommen die beiden, indem sie die Gesamtausgaben der Sozialversicherung in Relation zum Primäreinkommen in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (Werte von 2019) setzen. Durch die massive Absenkung der Sozialversicherungsbeiträge werde inbesondere die untere Einkommenshälfte entlastet. Diese bezahle neben der Mehrwertsteuer nämlich hauptsächlich Sozialbeiträge.

Beitragsbemessungsgrenze fällt weg

Neben der konsequenten Verbreiterung der Beitragsbasis sind mit dem Wegfall der Beitragsbemessungsgrenze und der teilweisen Aufgabe des Äquivalenzprinzips in der Rentenversicherung zwei weitere systemverändernde Umbaumaßnahmen vorgesehen. Letztere ist erforderlich, damit bei der Rente kein Nullsummenspiel entsteht. Würden die Rentenansprüche so wie bisher mit höheren Einzahlungen steigen, stünden den höheren Einnahmen auf der einen Seite höhere Rentenausgaben auf der anderen gegenüber. Damit wäre die von den CDU-Politikern angestrebte dauerhafte Stabilisierung der finanziellen Basis zumindest in der Rentenversicherung nicht zu erreichen.

Steuerzuschuss wird eingegliedert

Ihnen ist aber auch klar, dass eine bloße Ausweitung der Beitragsbemessung ohne Leistungsverbesserung wohl verfassungsrechtliche Probleme aufwerfen würde. Um die Mehreinnahmen verfassungskonform erzielen zu können, wollen sie die Sozialversicherungsbeiträge künftig in einen Umlageanteil und in einen Beitragsanteil aufsplitten. Der Beitragsanteil liefert wie bisher nach dem Äquivalenzprinzip einen entsprechenden Rentenanspruch. Der Umlageanteil dagegen funktioniert wie eine Steuer. Er ist eine Art Solidarbeitrag zur sozialen Absicherung der Gesellschaft. Zusammen ergeben beide Teile die errechnete Beitragshöhe von 27,6 Prozent. Aber die Anteile verschieben sich mit der Einkommenshöhe. Je größer die individuellen Einkünfte, desto kleiner ist der Beitragsanteil und desto höher ist der Umlageanteil. Auf diese Weise wollen sie den heutigen Zuschuss aus Steuermitteln in das Beitragssystem eingliedern.

Parallele Änderungen im Steuersystem

Der Systemumbau bringt einerseits Gewinner hervor und führt andererseits für einen Teil der Einzahler zu höheren Belastungen. Alle Arbeitnehmer unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze werden etwa um ein Viertel finanziell entlastet. Mehr SV-Beiträge müssten Arbeitnehmer mit Einkommen über der Beitragsbemessungsgrenze und Bezieher von Kapitaleinkünften zahlen. Das würde im Gegenzug auch die Kapitalkosten erhöhen. Daher plädieren Reichel und Whittaker für parallel laufende Änderungen bei den Unternehmenssteuern und bei der Erbschaftssteuer.

Die weitreichenden Vorschläge werden mit Sicherheit viele Kritiker auf den Plan rufen. Vor allem in den Gruppen, die künftig eine höhere Belastung erfahren. Daher funktioniert der Umbau der Sozialversicherung in der angedachten Art und Weise wohl nur bei gleichzeitigen Eingriffen ins Steuersystem. Anderenfalls entstünden nicht zu rechtfertigende Doppelbelastungen zum Beispiel durch den Umlageanteil bei gleichzeitig hoher Steuerprogression.

Ernsthafte Diskussion geboten

Angreifbar ist der Vorschlag auch durch die hohe Abstraktion bei den bisherigen Berechnungen. Das haben bereits erste Stimmen aus der Wissenschaft angekündigt. So genüge eine Betrachtung auf Ebene der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung nicht. Der Einwand mag berechtigt sein, aber von den beiden Politikern kann ein fertiges System gar nicht erwartet werden. Ihr Anliegen besteht schließlich darin, einen Anstoß für eine Debatte über die Zukunft der Sozialversicherung zu liefern. Dazu preschen sie mutig vor. Bleibt die Hoffnung, dass eine ernsthafte Auseinandersetzung über diesen Vorschlag stattfindet und nicht die üblichen Abwehrreflexe jede sachliche Diskussion verhindern.