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Sind Abschläge auf EM-Renten vertretbar?

Der Eintritt einer Erwerbsminderung kann von einem Versicherten – anders als der vorzeitige Beginn der Altersrente – nicht beeinflusst werden. Daher stellt sich die Frage, ob der dauerhafte Abschlag von bis zu 10,8 Prozent auf eine Erwerbsminderungsrente vertretbar ist.

Wer früher in Rente geht, muss Abschläge in Kauf nehmen. Dieses Prinzip gilt in der gesetzlichen Rentenversicherung. Nur besonders langjährig Versicherte mit mindestens 45 Versicherungsjahren können in bestimmten Altergsrenzen ohne Abschläge vorzeitig ihre Rente beginnen.

Da eine EM-Rente immer vor dem gesetzlichen Renteneintrittsalter einsetzt, ergeben sich zwangsläufig Abschläge. Aber sind diese Abschläge fair? Kritiker der vergleichsweise niedrigen EM-Renten neigen daher dazu, diese Abschläge in Frage zu stellen. Begründung: Es handelt sich nicht um einen frei wählbaren Rentenbeginn.

In diesem Einwand steckt eine gewisse Logik. Allerdings würde eine ersatzlose Streichung der Abschläge neue Ungerechtigkeiten im Rentensystem erzeugen. Darauf macht Dr. Johannes Steffen aufmerksam, der das fundierte Internetportal Sozialpolitik betreibt. Steffen ist ein Befürworter weiterer Verbesserungen der EM-Renten, hegt aber ernsthafte Zweifel, ob eine Abschaffung der Abschläge ein gangbarer Weg ist. Sein Einwand: Mit dem Ausbau der Zurechnungszeiten für die Erwerbsminderungsrente entstehen Rentenanwartschaften, die vergleichbare, nicht erwerbsgeminderte Personen, die vor Erreichen der Regelaltersgrenze Altersrente beziehen, nicht erreichen können. Auf diesen Umstand hat auch die Präsidentin der Deutschen Rentenversicherung Bund, Gundula Roßbach, öffentlich schon mehrfach hingewiesen.

Drei Rentenbeispiele – ein denkwürdiges Ergebnis

Steffen illustriert die Situation mit Berechnungen für drei Rentenfälle: ein Erwerbsminderungsrenter, der mit 52 Jahren aus dem Arbeitsleben ausscheidet, ein Altersrentner ab 63 und ein Altersrentner ab 65. Die zugrundeliegende Regelaltersgrenze beträgt 67 Jahre. Das wird zwar erst ab 2030 der Fall sein, aber dann wirken die Unterschiede in vollem Umfang. Für alle drei Fälle wird als Eintrittszeitpunkt in die Rentenversicherung das Alter 20 und ein Entgeltpunkte-Durchschnitt von 0,8 angenommen.

Für die EM-Rente ergeben sich dann einschließlich der Zurechnungszeit 37,6 Entgeltpunkte. Davon werden Abschläge in Höhe von 10,8 Prozent abgezogen (entspricht einem Zugangsfaktor von 0,892). Daraus resultieren für die Rente 33,5392 Entgeltpunkte. Diesen Wert erreichen die beiden Altersrentner nicht. Beim Eintrittsalter 63 stehen nach den Abschlägen 29,4464 Entgeltpunkte im Rentenbescheid. Der Altersrentner mit Rentenbeginn 65 kommt auf 33,4080. Nur wenn im dritten Beispiel die Voraussetzungen für eine abschlagsfreie Rente für besonders langjährig Versicherte erfüllt sind, fällt die Rentenanwartschaft höher aus als bei der EM-Rente. Erwerbsminderungsrentner, die deutlich früher in Rente gehen, sind also schon nach dem jetzt geltenden Recht besser gestellt als Altersrentner mit vorzeitigem Rentenbeginn und dadurch bedingte Abschläge.

Folgen oft nicht ausreichend bedacht

Schafft der Gesetzgeber die Abschläge für die EM-Renten ab, dann verschärft sich diese Diskrepanz noch deutlich. Der Erwerbsminderungsrentner käme dann auf 37,6 Entgeltpunkte, obwohl er schon mit 52 ausscheidet. „Anwartschaften in dieser Höhe können vergleichbare nicht erwerbsgeminderte Versicherte mit identischer jährlicher Entgeltposition und geschlossener Erwerbsbiografie erst mit vollendetem 67. Lebensjahr erreichen“, schreibt Dr. Johannes Steffen. Das wiederum würde eine Diskussion über den Wert dieser langjährigen Beschäftigung im Vergleich zu den deutlich früher ausscheidenden Erwerbsminderungsrentnern auslösen. Die Streichung der Abschläge ist leicht gefordert, die Folgen werden häufig nicht ausreichend bedacht.