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Schattenboxen vor Berliner Inventur

In Unternehmen ist in diesen Tagen des zu Ende gehenden Jahres Inventur angesagt. Im Bund ist mit Endabrechnung und Neubeginn erst zu Ostern oder gar zu Pfingsten zu rechnen, wie manche Pessimisten prophezeien.

„Ergebnisoffene Gespräche“ hat der SPD-Bundesparteitag beschlossen. Man wolle sich Zeit lassen. Schließlich gebe es eine geschäftsführende Bundesregierung.

Durch die SPD geht ein tiefer Riss. Manche wollen eine Minderheitenregierung der Union akzeptieren. Wenn man aber schon eine Vereinbarung mit der größten Partei im Bundestag treffe, dann solle man auch die Verantwortung in einer Koalition  übernehmen. Der „Seeheimer Kreis“, also die gemäßigten Kräfte der Sozialdemokraten, wollen eine Neuauflage der GroKo. Die Linke will nicht in ein neues Kabinett mit Merkel eintreten.

In jedem Fall hängen die Genossen den Brotkorb sehr hoch. Es werde teuer, meinte Fraktionschefin Andrea Nahles. Bevor nach dem ersten vorweihnachtlichen Abtasten der Partner, die weiterhin noch zusammen im geschäftsführenden Kabinett sitzen, eine Sondierung stattfinden soll, muss erst noch ein Parteikonvent Ja sagen. Einigt man sich zum Schluss auf eine Koalitionsvereinbarung, dann werden noch einmal wie schon 2013 eine halbe Million Mitglieder der SPD befragt.

Abschied von der repräsentativen Demokratie

Was als echte Basisdemokratie bejubelt wird, ist nichts anderes als das praktizierte imperative Mandat. Nicht die gerade gewählten Bundestagsabgeordneten sollen entscheiden, ob die nächste Bundesregierung von der SPD mitgestellt wird, sondern die Basis der Partei. Was als vorbildliche Graswurzel-Demokratie gepriesen wird, veranschaulicht die Führungslosigkeit der SPD, die sich von der repräsentativen Demokratie verabschiedet. Man fragt sich, warum die neu gewählten Parlamentarier der Sozialdemokraten keinen Aufstand gegen diese Degradierung zum Befehlsempfänger starten. „Sammeln und Führen“ sei die wichtigste Eigenschaft eines SPD-Vorsitzenden, sagte einst Ex-Chef Franz Müntefering. Er bezeichnete dieses Amt einmal scherzhaft als das „zweitschönste nach dem Papst“. Beim Sammeln übertreibt es Martin Schulz, auf das Führen verzichtet er.

Rente wird ein Verhandlungsthema

Schwarz-rotes Schattenboxen beherrscht die Szenerie vor den ersten Gesprächen der bisherigen Koalitionspartner. Man warnt sich gegenseitig, rote Linien aufzuzeigen, um es gleich darauf zu tun. Bundeskanzlerin Angela Merkel hält sich verständlicherweise zurück. Sie will eine erneute Groko und wird das auch heute auf dem CSU-Parteitag bekräftigen. Die Rente wird ebenso ein Thema sein wie die Bürgerkranken- und -pflegeversicherung, ein von der Union klar abgelehntes Kernanliegen  der Sozialdemokraten. Bei der Rente wird die SPD ihr langfristiges Rentenkonzept bis 2045 mit einer Stabilisierung des Rentenniveaus bis 2030 auf 48 Prozent des Durchschnittslohnes und die Solidarrente im Kampf gegen die Altersarmut wieder auf den Tisch legen. Die CSU könnte mit dem Wunsch nach einer Verbesserung der Mütterrente nachlegen.

Außerdem will die SPD ein Rückkehrrecht für Frauen von Teilzeit in Vollzeit. Mit der Bürgerversicherung dürften die Sozialdemokraten bei der Union allerdings auf Granit stoßen. Auch die schwarze Null als Grundsatz solider Haushaltspolitik wird die Union nicht aufgeben. Andererseits weiß man auch in der CDU/CSU, dass Schulz ein paar Skalps als Konzession vorweisen muss, um seine skeptische Partei in eine neue Koalition zu führen.

Österreich ist keine „leuchtende Benchmark“ bei der Rente

Warum bekommen die österreichischen Rentner Weihnachtsgeld und die deutschen nicht, wird in Fernsehreportagen über die Altersversorgung der beiden Länder gefragt. In der Tat, im Nachbarland werden die Renten 14 Mal im Jahr ausgezahlt, das sind im Schnitt einige hundert Euro mehr. Alleinstehende bekommen ihre Rente auf 890 Euro aufgestockt, wenn ihre Anwartschaften darunter liegen. Auch Selbständige sind pflichtversichert. Was häufig vergessen wird, ist die Tatsache, dass die Mindestwartezeit in Österreich 15, in Deutschland nur fünf Jahre beträgt. Viele Österreicher bekommen deswegen gar keine Rente. Außerdem sind alle österreichischen Rentner steuerpflichtig, in Deutschland unterliegen nur drei Viertel der Steuer, was sich allerdings bis 2040 immer weiter ändert. Auch zahlen unsere südlichen Nachbarn einen höheren Beitrag in ihre Rentenkasse. Hinzu kommt, dass es kaum Betriebsrenten und keine Pflegeversicherung gibt. Eine „leuchtende Benchmark“ ist Österreich also nicht.