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Rentenreform bei alternder Wählerschaft

Die Große Koalition wird in den kommenden Monaten eine Kommission einsetzen, die Vorschläge für die nächste Rentenreform erarbeiten soll. Doch ganz gleich, wie die Vorschläge der Experten ausfallen, werden sich die Politiker noch von etwas ganz anderem leiten lassen: von der Alterung der Wähler.

Vier Stellschrauben besitzt das umlagefinanzierte System der gesetzlichen Rente. Je nachdem, an welcher gedreht wird, trifft es unterschiedliche Gruppen in der Bevölkerung. Veränderungen beim Beitragssatz spüren die Beitragszahler. Ein höherer Steuerzuschuss geht zu Lasten der Steuerzahler. Eine Absenkung des Rentenniveaus spüren die Rentner. Eine weitere Erhöhung des Renteneintrittsalter trifft die zukünftigen Rentner, besonders die rentennahen Jahrgänge reagieren empfindlich darauf. Ihre Lebensarbeitszeit verlängert sich und der Barwert der späteren Rente sinkt im Vergleich zu den heutigen Bestandsrentnern.

Rentner und Steuerzahler sind aber zugleich Wähler. Die Alterung geht auch an den Wählern nicht vorbei. So nimmt der Anteil der Rentner und rentennahen Jahrgänge unter den Wählern stetig zu. Das zeigt sehr anschaulich die Entwicklung des Medianalters der Wahlberechtigten in Deutschland. 1989 war der damalige Bundesarbeitsminister Norbert Blüm angetreten, um eine weitreichende Rentenreform durchzusetzen. Die verkam dann zwar ziemlich schnell zu Makulatur, weil die Mauer just am Tag der Verabschiedung des Gesetzes im Bundestag fiel. Zu Zeiten dieser Reform lag das Medianalter etwas über 46 Jahre. Die Hälte der Wähler war also jünger als 46, die andere Hälfte älter.

Medianalter der Wähler steigt stetig

2007 setzte Franz Müntefering die Rente mit 67 durch. Zu diesem Zeitpunkt war der Medianwähler bereits 48,5 Jahre alt. Müntefering musste diese Reform also bereits einem größeren Anteil älterer Wähler „verkaufen“. Zur Bundestagswahl im vergangenen Jahr lag das Medianalter der Wahlberechtigten schon bei fast 53 Jahren. Der Anstieg wird weiter gehen. Wenn die Wähler 2021 an die Urne treten, erwarten die Experten bereits ein Medianalter von über 55 Jahren.

Entscheidungen zu Gunsten der Älteren

Es ist daher überhaupt nicht verwunderlich, wenn Politiker bei ihren Entscheidungen häufiger zu Gunsten der Älteren tendieren. Sie liefern ihnen die Mehrheiten, die sie für ihre politischen Entscheidungen benötigen. Vorausgesetzt, die Finanzen der Rentenkasse lassen es zu. So war es in der zurückliegenden Wahlperiode, als die Bundesregierung mit dem zusätzlichen Entgeltpunkt für Mütter mit vor 1992 geborenen Kindern und der Rente mit 63 vor allem die Rentner und rentennahen Jahrgänge bediente.

Jüngere zahlen für die Wohltaten

Auch der vorliegende Koalitionsvertrag zielt in diese Richtung. Die Große Koalition schreibt das Rentenniveau bis 2025 bei 48 Prozent fest. Die Mütterrente wird ein weiteres Mal ausgeweitet. Angesichts der gegenwärtigen Beschäftigungslage bleibt die Festschreibung des Rentenniveaus weitgehend folgenlos. Sollten aber wirtschaftlich schwierigere Zeiten anbrechen, müssten die Steuerzahler herhalten. Die Wohltaten für die Älteren zahlen dann vor allem die Jüngeren, weil deren Arbeitsleben mit höherer Steuerbelastung länger ausfällt.

Nur wirtschaftliche Zwänge bewirken Umkehr

Die starke Ausrichtung an den älteren Wählern wird von der Politik also erst dann wieder in Frage gestellt werden, wenn der wirtschaftliche Druck auf die Rentenkassen keine Wohltaten mehr zulässt. So war es in der Vergangenheit immer der Fall. Die Blümsche Reform von 1989 wurde in Gang gesetzt, weil damals die Beitragssätze in der Rentenversicherung drohten, bis 2030 je nach Berechnung auf 36 bis 41 Prozent anzusteigen. Die Rentenreformen der rot-grünen Koalition entstanden in einer Zeit, in der Deutschland als der „kranke Mann“ in Europa galt. Gegen einen alternden Medianwähler kommt offenkundig nur die brutale Wahrheit wirtschaftlicher Zwänge an.