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Renten-Wahlkampf ist eröffnet

Jetzt ist es klar: Im bevorstehenden Wahlkampf um Europa geht es wieder einmal um die Rente. Das trifft vor allem auf die ostdeutschen Bundesländer und auch die Kommunen zu.

Die Junge Union ist Deutschlands größte und in den Unionsparteien durchaus einflussreiche Organisation. Sie hat nun auf ihrem Deutschlandtag die von Bundesarbeitsminister Heil konzipierte Grundrente, semantisch aufgehübscht „Respekt-Rente“ genannt, verworfen. Der neue, sehr kämpferische Vorsitzende Tilman Kuban warf den Sozialdemokraten mangelnden Respekt vor der jungen Generation vor. Den Namen des 31-jährigen Juristen aus Niedersachsen sollte man sich merken.

Dem christdemokratischen Nachwuchs passt im Übrigen die gesamte Richtung in der Rentenpolitik der Großen Koalition nicht. So wandte sich Kuban auch gegen die Rente mit 63 nach 45 Versicherungsjahren und die von der CSU favorisierte Mütterrente. Der Vorsitzende der Mittelstandsvereinigung der Unionsparteien, Carsten Linnemann, vertrat jüngst in einem Interview die Auffassung, es sei wichtig, die Frage aufzuwerfen, wie wir künftig leben wollen. Genauso wichtig sei es aber auch, eine Antwort auf die Frage zu geben, „wovon wir leben sollen“.

Streit um Bedürftigkeitsprüfung reißt nicht ab

CSU-Chef Markus Söder brachte derweil inzwischen ein eigenes Modell seiner Partei in die Rentendebatte ein. Das lehnte die SPD natürlich flugs ab. Der bayerische Ministerpräsident will die in der Koalitionsvereinbarung vorgesehene Grundrente rasch realisieren, aber nicht auf die Bedürftigkeitsprüfung verzichten. Die CSU will bei den Beziehern von Grundsicherung im Alter Freibeträge für die gesetzliche Rente einführen sowie das Schonvermögen bei der Grundsicherung deutlich anheben. Die neuen Freibeträge sollen ab mindestens 35 Beitragsjahren gelten. Dafür kommen nach Schätzungen der Partei rund 175.000 Menschen infrage. Kosten verursacht das Ganze in Höhe einer halben Milliarde Euro.

Mit einem zusätzlichen Freibetrag in Höhe der Mütterrente sollten außerdem all jene belohnt werden, die Kinder großgezogen haben. Heute werde die Mütterrente bei der Grundsicherung im Alter angerechnet, heißt es in dem CSU-Papier. Von der Neuregelung hätten 40.000 bis 60.000 Anspruchsberechtigte einen Vorteil.

Wer soll das bezahlen?

Der CSU geht es aber auch um das Schonvermögen bei der Grundsicherung im Alter, das künftig weit großzügiger bemessen werden sollte. Bislang müssen Rentner ihr erspartes Barvermögen bis zu einem Restbetrag von 5.000 Euro aufzehren, bevor sie eine Berechtigung zur Grundsicherung haben. Diesen Betrag will die CSU künftig verdreifachen. Das bringt in der Praxis eine Verbesserung für etwa 150.000 Menschen und verursacht Kosten von 90 Millionen Euro. Das alles geht aber der SPD und ihrem Arbeitsminister nicht weit genug. Heil verwies auf seinen eigenen Grundrentenvorschlag, von dem drei bis vier Millionen Menschen ohne die „entwürdigende Bedürftigkeitsprüfung“ profitieren. Die Verwirklichung dieses Gesetzentwurfes verursacht allerdings Kosten im einstelligen Milliardenbereich.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz ist, wie er immer wieder beteuert, ein Anhänger der von seinem Kabinettskollegen Hubertus Heil angekündigten Grundrente. Der dem Bundeskabinett vorgelegte Scholz-Plan für den Bundeshaushalt 2020 enthält aber nicht das nach seiner Berechnung fünf Milliarden Euro teure Konstrukt. Im Finanzministerium betont man, dies hänge damit zusammen, dass das Gesetz vom Bundestag noch nicht verabschiedet worden sei. Heil kündigte die Vorlage des Gesetzentwurfes für Mai dieses Jahres an. Er betonte noch einmal, dass der Wegfall der Bedürftigkeitsprüfung für die SPD nicht verhandelbar sei.

Heil erobert Herz der Genossen mit überteuerten Sozialgeschenken

Das ist freilich eine ebenso krude wie gefährliche Argumentation. So könnte doch jeder Handwerker, Selbstständige oder überhaupt jeder Steuerzahler es als diskriminierend empfinden, vom Finanzamt durchleuchtet zu werden. Wer von der Gemeinschaft der Steuerzahler Geld in Anspruch nehmen will, sollte mit einer solchen Offenbarung leben können. Abgeordnete sind bei der Gesetzgebung schließlich allen Bürgern verantwortlich. Ein CSU-Sozialpolitiker rechnete Heil vor, dass seine Ehegattin nach den Vorstellungen des Sozialdemokraten Anspruch auf einen Zuschlag von mehreren hundert Euro hätte. Er warf die Frage auf, was wohl Boulevardblätter aus dieser Tatsache machten.

Ein früherer sozialdemokratischer Arbeitsminister, nämlich Franz Müntefering, hält den Verzicht auf eine Bedürftigkeitsprüfung ebenso für falsch. Das aber stört die Sozialdemokraten in der Großen Koalition nicht. Gehört Müntefering doch zu den Urhebern der Agenda 2010, die sich bei den Genossen keiner besonderen Beliebtheit erfreut. Heil zählte freilich Ende der 90er Jahre auch zu den Mitbegründern des „Netzwerkes Berlin“, das sich von einem allzu fürsorglichen Sozialstaat verabschieden wollte. Davon will er heute nichts mehr wissen. Jetzt geht es darum, mit teuren und den Sozialstaat überfordernden Gesetzeswerken das Herz der Genossen zu wärmen.

Scholz will sich für Bundestagswahl profilieren

Diesen Versuch unternimmt auch der als eher kalt und schwer zugänglich geltende Finanzminister, der sich als Kanzlerkandidat der Sozialdemokraten für die nächste Bundestagswahl profilieren will. Seinen Etatentwurf richtete er, so die Union, eindeutig nach sozialdemokratischen Prioritäten aus. Während die Union darauf drängt, stärker in Infrastruktur und Bildung zu investieren, geht es der SPD vor allem um die Schärfung ihres sozialpolitischen Profils. Damit glaubt sie, beim Wähler zu punkten. Bluten soll Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen, die bei der Zurückhaltung des Finanzministers die Zusagen der Bundesregierung gegenüber der NATO nicht einhalten kann. Zu erwartende Konflikte dürfte es außerdem um die Reform der Grundsteuer und die Leistungen gegenüber den Ländern für die Integration von Zuwanderern geben.