Website-Icon DIA Altersvorsorge

Nahles und die fehlende Kinderstube

Die Bundestagswahl und ihr aufsehenerregender Ausgang führen zu unfreiwilligen Renten.

Dem sozialdemokratischen Kanzlerkandidaten Martin Schulz, der mit sozialer Gerechtigkeit und Rentenversprechen erfolglos zu punkten versuchte, droht nach seinem desaströsen Scheitern die Frühverrentung. Zwar hofft er auf dem SPD-Bundesparteitag auf eine Wiederbelebung, doch dürften  die Genossen zumindest auf längere Sicht einen Neuanfang im Auge haben und der ehemalige Präsident des Europaparlaments ist kein Hoffnungsträger mehr.

Die Blicke richten sich auf die neue Oppositionsführerin im Deutschen Bundestag und bisherige Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Andrea Nahles. Die ehrgeizige Frau mit den geringen Popularitätswerten ist in dieser Woche an die Spitze der SPD-Bundestagsfraktion gewählt worden. Assistiert wird sie von dem „Partei-Rechten“ Carsten  Schneider als Erstem Parlamentarischem Geschäftsführer. Auch und gerade in der Niederlage führt der Weg von Nahles, die in der Abitur-Zeitung von ihrem Berufswunsch als „Kanzlerin“ sprach, steil nach oben. Sie hat künftig eine weit bessere Bühne als Schulz, der dieses Amt bei einem besseren Wahlergebnis für sich beansprucht hätte. Die Oppositionsführerin antwortet in Bundestagsdebatten der Kanzlerin direkt. Auf das Damen-Duell darf man gespannt sein.

Brutal und sentimental zugleich

Alles andere als damenhaft gerierte sich Nahles nach ihrer Wahl als SPD-Bundestagsfraktionschefin. Gerade von der Sitzung des scheidenden Kabinetts Merkel kommend, sagte sie, es sei ein bisschen wehmütig gewesen. Um dann hinzuzufügen: „Aber ab morgen gibt’s in die Fresse.“ Brutal und sentimental zugleich ist also die neue Nummer 1 der Sozialdemokraten im Parlament, der nun mangelnde Kinderstube vorgeworfen wird. Sie freilich versucht, ihre Entgleisung mit dem Hinweis zu rechtfertigen, das sei nur als Scherz gemeint gewesen und ihre Kollegen von der Union hätten das auch so verstanden. Ihre Funktionen im Kabinett wird Bundesfamilienministerin Katarina Barley mit übernehmen.

Nachfolger(in) gesucht

Auch wenn man über Sinn oder Unsinn der Rentenreformen in der Großen Koalition streiten kann, handwerklich hat Nahles in ihrem Ministerium eine saubere Arbeit abgeliefert. Auf der Haben-Seite ist neben dem Mindestlohn das Betriebsrentenstärkungsgesetz. Auch Abgeordnete in den Unionsparteien loben die Arbeit der Ex-Ministerin. Vor allem ihr Bemühen um konstruktive Sacharbeit unter Einbindung der gesellschaftlichen Gruppen kam an.

Wer Nahles nachfolgen wird, ist unklar. In bürgerlichen Bündnissen mit der FDP hat die Union das Ressort in der Regel für sich reklamiert. Man denke an Norbert Blüm oder später Ursula von der Leyen. In Großen Koalitionen hatte die SPD ein Abonnement auf dieses Ministerium, von Franz Müntefering bis Andrea Nahles. In  einer „Jamaika-Koalition“ könnte sich aber auch die grüne Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt für den frei gewordenen Platz interessieren. Ihr Fokus liegt auf sozialpolitischen  Fragen.

Bekannte Gesichter im Sachgebiet Rente

Betrachtet man sich die Zusammensetzung des neuen, bunter gewordenen Parlamentes mit sieben Parteien, so trifft man auf dem Sachgebiet der Altersvorsorge auf viele bekannte Gesichter. So wurden bei der CDU/CSU der Vorsitzende der Arbeitnehmergruppe, Peter Weiß, im Wahlkreis Emmendingen-Lahr und der stellvertretende Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Arbeit, Prof. Dr. Mathias Zimmer, in Frankfurt direkt wiedergewählt. Dies gilt auch für das Nachwuchstalent Kai Whittaker in Rastatt. Mit Anja Karliczek im Wahlkreis Steinfurt III und Jana Schimke in Brandenburg sind zwei profilierte Parlamentarierinnen wieder im Hohen Haus anzutreffen.

Der Sozialexperte Wolfgang Strengmann-Kuhn bei den Grünen und der rentenpolitische Sprecher der Linkspartei, Matthias W. Birkwald, ein Schwergewicht auf seinem Sachgebiet, wurden über die Landeslisten ihrer Parteien wieder in den Bundestag entsandt. Wer bei den Freien Demokraten künftig das Thema der Altersvorsorge besetzt, ist noch nicht zu erkennen. Bei der AfD, die keine klaren Aussagen zur Rentenpolitik der Zukunft gemacht hat, gilt der nordhessische Abgeordnete Glaser als ambitionierter Experte. Der Mittsiebziger war in den achtziger Jahren als Christdemokrat Stadtkämmerer in Frankfurt, kandidierte für die AfD jüngst für das Bundespräsidentenamt. Seine Fraktion hat ihn für eines der Vizepräsidenten-Ämter vorgeschlagen.