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Nächste Runde im Renten-Reform-Reigen

Die Große Koalition hat sich in der laufenden Legislaturperiode zweimal mit der Rente beschäftigt, gleich zu Beginn und jetzt am Ende. Damit ist der Renten-Reform-Reigen aber längst nicht beendet. Die Themen für die Zeit nach der Bundestagswahl stehen bereits auf der Agenda.

Der Mentor früherer Rentenreformen, Prof. Dr. Bert Rürup, skizzierte kürzlich auf dem Kongress „Zukunftsmarkt Altersvorsorge“ drei Aufgabenkreise für die kommende Legislaturperiode. Nach seiner Ansicht muss die nächste Bundesregierung

Eine weitere Anhebung der Regelaltersgrenzen, wie sie öffentlich immer mal wieder diskutiert wird, sei hingegen kein Thema in den Jahren 2018 bis 2021.

Eine neue Ordnung braucht aber die steuerliche Finanzierung der gesetzlichen Rente. Bereits heute stammt rund ein Drittel der Einnahmen der gesetzlichen Rente aus dem Staatshaushalt. Begründet werden diese Aufwendungen mit den versicherungsfremden Leistungen. Allerdings ist nirgends definiert, was unter diese versicherungsfremden Leistungen fällt. Außerdem versteht ein Außenstehender kaum noch die Art der staatlichen Finanzierung, die im Laufe der Jahre zu einem Wirrwarr verkommen ist. So wurden 1997 die Einnahmen aus einem Mehrwertsteuerpunkt in die Rentenkasse umgeleitet (Blüm-Zuschuss). 1999 beteiligte Rot-Grün die Rentenversicherung an der neu eingeführten Öko-Steuer.

Triparität in der Finanzierung

Prof. Rürup vertritt daher die Ansicht, dass eine stabile triparitätische Finanzierung der Rentenkassen eingeführt werden sollte. Die Einnahmen würden bei diesem System zu je einem Drittel von den Arbeitnehmern, Arbeitgebern und vom Bundeshaushalt finanziert. In den Reihen der Politiker dürfte dieser Vorschlag auf offene Ohren stoßen. Die Rentenexperten in der CDU-Fraktion um Peter Weiß haben schon vor Monaten einen ähnlichen Vorschlag entwickelt. Die Sozialdemokraten sind ohnehin immer willig, wenn Steuergeld fließt.

Teilweise Aufgabe des Äquivalenzprinzips

Eine solche triparitätische Finanzierung bedeutet aber zugleich eine teilweise Aufgabe des strengen Äquivalenzprinzips, das für die deutsche Rentenversicherung gilt. Danach folgen die Renten immer den Löhnen. Wer viel verdient, bezieht später eine hohe Rente, wer weniger verdient, eine niedrigere. Bei der Festlegung des Staatszuschusses auf konstant ein Drittel der Einnahmen dienen die zusätzlichen Steuergelder dann nicht mehr nur der Finanzierung der versicherungsfremden Leistungen, sondern auch der eigentlichen Renten. Das Äquivalenzprinzip, das heute mit dem Bundeszuschuss nur implizit verletzt wird, wäre dann explizit durchbrochen.

Deutschland ist die Ausnahme unter den OECD-Staaten

Über das Ziel, wie das Rentensystem armutsfest gemacht werden kann, gehen die Meinungen weit auseinander. Im Kern dreht sich der Streit um eine Frage: Soll dies im Rentensystem geschehen oder außerhalb? Fest steht eines: Deutschland nimmt mit seinem strengen Äquivalenzprinzip im Kreis der OECD-Staaten eine Sonderrolle ein. In vielen anderen Ländern gibt es für langjährig Versicherte mit geringen Einkommen eine untere Absicherung. Deren Renten werden anders berechnet, die Bindung an die individuelle Erwerbsbiografie wird ein wenig gelockert.

In den zurückliegenden Jahren fanden auch in Deutschland schon verschiedene Versuche statt, eine solche Lösung innerhalb des Rentensystems zu installieren, zum Beispiel durch die vorangegangene Arbeitsministerin Ursula von der Leyen. Alle sind bisher gescheitert. Auch der Vorschlag von Andrea Nahles, das Problem über einen Zuschlag zur Grundsicherung im Alter zu lösen, der nicht in der Sozialhilfe angesiedelt ist. Sie ist mit diesem Entwurf im Regierungsbetrieb einfach steckengeblieben. Es gibt derzeit weder einen Gegenvorschlag dazu noch Bewegung in der Sache, sodass dieses Thema in der nächsten Wahlperiode wieder auf den Tisch kommen wird.

Absicherung der Selbständigen immer noch ungewiss

Ein Dauerbrenner bleiben auch die Selbständigen. Mit ihnen hatte sich schon die schwarz-gelbe Koalition von 2009 bis 2013 beschäftigt. Damals entstand sogar ein in der Regierung konsensfähiger Vorschlag. Er fiel aber einem FDP-Parteitag zum Opfer, auf dem die Rentenexperten dieser Partei eine verheerende Niederlage einstecken mussten. Die Große Koalition hat sich dann mit der Absicherung der Selbständigen eigentlich nicht ernsthaft beschäftigt, weil ihre andere Themen bislang wichtiger erschienen. Dabei besteht über Parteigrenzen hinweg Einigkeit darüber, dass gerade für die vielen Solo-Selbständigen eine Absicherung notwendig ist. Das zeigte eine Diskussion der rentenpolitischen Sprecher der im Bundestag vertretenen Parteien während des Altersvorsorge-Kongresses in Berlin.

Pflichtversicherung oder Versicherungspflicht?

Für die Absicherung der Selbständigen muss eine Entscheidung getroffen werden: Pflichtversicherung oder Versicherungspflicht? Der Trend geht wahrscheinlich in Richtung der Pflichtversicherung, sprich der Einbeziehung der Selbständigen in die gesetzliche Rentenversicherung. Bei einer Versicherungspflicht, die auch die Wahl anderer Altersvorsorge zulässt, wäre eine erhebliche Administration vonnöten. So müsste ständig überprüft werden, ob die alternative Vorsorge für eine Rente ausreicht, die über der Grundsicherung liegt. Aus Sicht der Politiker hätte die Einbeziehung der Selbständigen in die gesetzliche Rentenversicherung einen zusätzlichen Vorteil: Sie brächte eine temporäre Entlastung auf der Einnahmenseite. Da für die älteren Selbständigen eine Übergangslösung getroffen werden müsste, bestünde der Zugang an Neumitgliedern vor allem aus Personen, deren Renteneintritt noch in der Ferne liegt.

Der gleiche Effekt würde übrigens erreicht, wenn sich die Politik durchringen könnte, auch bei neuen Verbeamtungen einen Systemwechsel einzuleiten. Anders als eine Umstellung des gesamten Pensionssystems der Beamten wäre das durchaus machbar. Wenn in den kommenden Jahren über eine Neuabgrenzung des Versichertenkreises gesprochen wird, könnte auch das ein Thema sein. Es ist aber höchst unwahrscheinlich, dass es dazu kommt.