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Missverständnis um den Nachholfaktor

Die FDP-Bundestagsfraktion fordert eine Reaktivierung des Nachholfaktors in der Rentenformel, der gegenwärtig außer Betrieb ist. Der Vorschlag klingt zunächst plausibel. Bringt aber nicht viel.

Den Beleg dafür liefert das Portal Sozialpolitik in einer Replik auf den FDP-Vorschlag, überschrieben mit dem Titel „Viel Lärm um nichts?“

Die FDP wollte mit ihrem Vorschlag verhindern, dass der ausgesetzte Nachholfaktor bei einem Rückgang der Pro-Kopf-Löhne in der Pandemie zu einer höheren Belastung für die Beitragszahler führt. Sie müssten, so die Begründung, die Rechnung zahlen, wenn die Renten langfristig schneller steigen als die Löhne. Daher soll nach Auffassung der FDP der Nachholfaktor wieder in Kraft gesetzt werden.

Mit der Einführung der Garantie eines Rentenniveaus von 48 Prozent bis 2025 hatte ihn die Große Koalition deaktiviert. Dieser Faktor sorgt eigentlich dafür, dass Kürzungen des Rentenwertes, die aus sinkenden Pro-Kopf-Löhnen resultieren, aber wegen einer Schutzklausel ausgeschlossen sind, zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werden. Es erfolgt dann bei künftigen Erhöhungen des Rentenwertes eine teilweise Verrechnung.

Lücken beim Verständnis der Rentenanpassung

Finden diese späteren Verrechnungen nicht statt, so die Begründung der FDP, wachsen die Renten schneller als die Löhne. Das ergibt dann eine einseitige Belastung der Beitragszahler. Doch dieses Szenario tritt nach Auffassung von Dr. Johannes Steffen, der seit Jahren das fachlich fundierte Portal Sozialpolitik betreibt, gar nicht ein. Seine Kritik am FDP-Vorschlag: Er basiere auf grundlegenden Verständnislücken der Anpassungsmechanik. Er demonstriert seine Einschätzung an einem Erholungsszenario für Wachstum und Beschäftigung. So sei der Rückgang der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer im laufenden Jahr nicht gleichbedeutend mit einem entsprechenden Rückgang des beitragspflichtigen Entgelts. Das Gegenteil ist der Fall. Nach den Angaben der Deutschen Rentenversicherung steigt es sogar 2020 weiter, wenn auch nicht im gleichen Maße wie vor der Pandemie.

FDP-Antrag würde nichts bewirken

Für diesen überraschenden Fakt gibt es eine Erklärung. Die Kurzarbeit hinterlässt in den Versichertenentgelten weit weniger Spuren als in den Bruttolöhnen je Arbeitnehmer. „Bei Kurzarbeit zählen 80 Prozent der Differenz zwischen zwischen Soll- und Ist-Entgelt zum beitragspflichtigen Lohn. Wechseln also fünf Durchschnittsverdiener in Kurzarbeit Null, so gehen in das durchschnittliche Entgelt fünf Köpfe mit einem Bruttolohn von null ein – beim Versichertenentgelt hingegen fehlt nur das Lohn-Äquivalent für einen Durchschnittsverdiener (fünf mal 20 Prozent)“, schreibt Steffen.

Außerdem bleibe bei einer Reaktivierung des Nachholfaktors immer noch die Niveau-Garantie bestehen. Sie gleicht eine zwischenzeitlich eingetretene Kürzung des Rentenwertes 2025 wieder aus. Am Ende läge der Rentenwert nach dem geltenden Recht mit dem nach FDP-Antrag gleichauf. Er hätte also nichts bewirkt. Einzig in den Jahren 2022 bis 2024 fallen Rentenwert und Rentenniveau kurzzeitig niedriger aus, würde der FDP-Antrag umgesetzt. Es lohnt sich also immer, genau zu rechnen.