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Kollateralschäden im Grundrenten-Streit

Der Machtkampf zwischen und in den Parteien, der sich an der geplanten Grundrente entzündet hat, führt zu einem Kollateralschaden, den viele Akteure übersehen. Für eine wirksame Bekämpfung der Altersarmut ist die Grundrente nämlich nicht geeignet.

Wenn die Befürworter einer möglichst weit greifenden Grundrente auf den Plan treten, führen sie fast immer auch das Argument mit im Köcher, dass damit die Altersarmut bekämpft werde. Das allerdings haben Experten längst widerlegt.

In den heftigen Debatten der vergangenen Tage spielten diese Einwände aber keine Rolle mehr. Zu verbissen waren die Auseinandersetzungen, um sich wirklich noch mit Sachargumenten zu beschäftigen. Dabei weist der Zankapfel „Bedürftigkeitsprüfung“ doch eigentlich in die richtige Richtung. Wer Altersarmut einschränken will, muss mit den geplanten Maßnahmen auch jene Gruppen erreichen, die vor allem von Altersarmut bedroht sind.

Armutsrisiko wird nur wenig gebremst

Doch genau das tritt sowohl mit dem heftig umstrittenen Vorschlag von Bundesarbeitsminister Heil als auch mit dem im Koalitionsvertrag beschriebenen Modell nicht ein. Darauf hatte schon im September die Bertelsmann-Stiftung in einer Studie aufmerksam gemacht, die sie gemeinsam mit dem DIW Berlin auflegte. Die Variante, die von den Koalitionären zu Beginn der Legislatur vereinbart worden ist, bremst den Anstieg des Armutsrisikos nur um 0,4 Prozentpunkte bis 2039. Der Hauptgrund ist die Voraussetzung von 35 Versicherungsjahren für den Bezug der Grundrente. Weniger als ein Drittel der Personen mit Grundsicherungsanspruch kommt auf die geforderte Anzahl von Versicherungsjahren.

Modell von Minister Heil ist wenig zielgenau

Etwas mehr Wirkung hätte das von SPD-Minister Heil forcierte Modell. Nach den Berechnungen der Bertelsmann-Stiftung und des DIW stiege die Armutsrisikoquote bis 2039 damit nicht auf 21,6 Prozent, sondern nur auf 18,4 Prozent. Im Gegenzug ist das Heilsche Modell aber wenig zielgenau. Davon profitieren auch viele Personen, deren Nettoeinkommen deutlich oberhalb der Schwelle für den Bezug von Grundsicherung im Alter liegt. 85 Prozent der 3,1 Millionen berechtigten Personen hätten laut Studie aufgrund anderer Einkünfte im Haushalt eigentlich keinen Anspruch auf Leistungen aus der Grundsicherung. Das mittlere individuelle Nettoeinkommen der Begünstigten liegt nach den Berechnungen der Studienautoren sogar doppelt so hoch wie die Bedürftigkeitschwelle. Daher kostet es dann auch rund siebenmal so viel.

Einfache Einkommensprüfung als Lösung

Um die Zielgenauigkeit zu verbessern, schlug die Studie schon vor Wochen eine einfache Einkommensprüfung vor, die das Vermögen unberücksichtigt lässt. Eine solche Prüfung schien auch eine Zeit lang Grundlage für einen Kompromiss zwischen den Koalitionspartnern zu sein. Doch dann verbissen sich die Parteien in die Bedürftigkeitsprüfung. Die SPD will den Begriff überhaupt nicht im Konzept der Grundrente lesen. Die CDU beharrt auf der umfassenderen Bedürftigkeitsprüfung, wie sie für die Grundsicherung gilt. Dabei hätten sich beide mit einem solchen Kompromiss bewegt. Der Begünstigtenkreis wäre kleiner ausgefallen. Eine Prüfung des Vermögens hätte nicht stattgefunden, aber bei kleinen Einkommen ist die Annahme geringer Vermögenswerte durchaus realistisch, von Ausnahmen einmal abgesehen.

An den Ursachen der Altersarmut ansetzen

Unabhängig vom Ausgang des Streits bleiben zwei Aufträge an Politik und Gesellschaft. Erstens: Altersarmut muss endlich wirksam bei den Ursachen bekämpft werden. Die Risikogruppen sind doch bekannt: Alleinerziehende, Personen mit unzureichender Bildung und mit Migrationshintergrund sowie ehemals Soloselbständige, die nie oder nur sehr wenig in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt haben. Letztere brauchen endlich eine gesicherte Altersversorgung. Darüber diskutieren die Politiker nunmehr schon in der dritten Legislaturperiode ohne Ergebnis. Wo mangelnde Bildung und mangelnde Erwerbsmöglichkeiten die Ursache für Altersarmut sind, besteht Handlungsbedarf lange vor Rentenbeginn. Alles andere sind nur Reparaturen auf dem Wege der Umverteilung.

Zweitens: Es ist an der Zeit, dass die Rentenversicherung für die einzelnen Erwerbsbiografien auch die Arbeitszeit mit erfasst. Heute droht die Gefahr, dass durch das Kriterium „Versicherungsjahre“ wieder neue Ungerechtigkeiten entstehen, weil unter Umständen Vollzeitbeschäftigte schlechter gestellt sind als Versicherte, die freiwillig nur Teilzeit gearbeitet haben.