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Heil und die gönnenden Enkel

Die Zeit drängt. Schon bald beginnt die parlamentarische Sommerpause. Der neue Arbeitsminister Hubertus Heil will noch vorher sein erstes Rentenpaket vorlegen.

In der Geschwindigkeit nimmt er sich ein Beispiel an seiner Vorgängerin Andrea Nahles, die in der vergangenen Legislaturperiode im Blitztempo die Rente mit 63 nach 45 Versicherungsjahren und die Mütterrente durchgesetzt hatte.

Im ersten Schritt geht es um die im schwarz-roten Koalitionsvertrag vereinbarte Änderung der Rentenformel, damit soll das Rentenniveau im Verhältnis zur Lohnentwicklung stabil gehalten werden, um eine Verbesserung der Erwerbsminderungsrente und um eine Ausweitung der 3,7 Milliarden Euro kostenden Mütterrente. Nächstes Jahr will Heil dann die Grundrente für langjährig versicherte Geringverdiener und die obligatorische Altersvorsorge für Selbständige in Angriff nehmen. Dass vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung die Jungen die Leidtragenden solcher wenig nachhaltiger Beschlüsse sind, lässt Heil nicht gelten. Er kenne „keinen Enkel, der seiner Großmutter nicht eine gute Rente gönnt“, meinte er. Manch intelligente Oma macht sich aber sicherlich Gedanken, wie es bei der Alterung der Gesellschaft den Kindern und Kindeskindern ergeht, wenn verantwortliche Politik die Augen vor einer generationengerechten Finanzierung verschließt.

Am Mittwoch hat sich die Rentenkommission mit dem Titel „Verlässlicher Generationenvertrag“ konstituiert. Sie soll bis 2020 Vorschläge für eine generationengerechte Altersvorsorge für die Zeit nach 2025 vorlegen. Ein Renten-Moratorium der neuen Großen Koalition wäre sinnvoll gewesen. Bevor das Expertengremium unter der Leitung zweier früherer Abgeordneter seine Reformüberlegungen anstellen kann, tritt der Gesetzgeber mit neuen, Beitrags- und Steuerzahler belastenden Gesetzen in Aktion. Es wäre klüger gewesen, sich mehr Zeit zu lassen.

Angriff auf die Rücklagen

Apropos Finanzierung: Finanzminister Olaf Scholz will aus dem Bundeshaushalt die Verbesserungen bei der Mütterrente nicht finanzieren. Das geht aus den Eckwerten der Etat-Aufstellung seines Ressorts hervor. In einem Papier heißt es, dies sei keine „prioritäre Maßnahme“. Man kann also davon ausgehen, dass diese versicherungsfremde Leistung wieder an der Rentenkasse hängenbleibt, wodurch deren Rücklagen schneller abschmelzen als prognostiziert. Vor dieser Entwicklung hatte die Präsidentin der Deutschen Rentenversicherung, Gundula Roßbach, ausdrücklich gewarnt. Nach dem Koalitionsvertrag sollen Mütter oder Väter mit drei oder mehr Kindern, die vor 1992 geboren wurden, künftig höhere Renten erhalten.

Versprechen ohne Finanzierung

Die Rente ist überall in Europa ein Thema. Die neue italienische Regierungskoalition hat im Wahlkampf kräftige Verbesserungen versprochen. Doch angesichts leerer Kassen stellt sich die Frage nach der Finanzierung. Auch in Spanien klafft mit 18 Milliarden Euro ein gewaltiges Loch in der Rentenkasse. Der abgewählte Ministerpräsident Rajoy hatte noch kurz vor seinem Sturz die Renten erhöht und an die Inflationsrate angepasst. Sein Nachfolger, der Sozialist Pedro Sanchez hat eine soziale Offensive angekündigt, wohl auch um seiner in der Gunst des Publikums absteigenden Partei wieder zu mehr Profil zu verleihen. Auch er sagt aber nicht, wo das Geld herkommen soll.

Skandinavien hat schon Nägel mit Köpfen gemacht

An einer Verlängerung der Lebensarbeitszeit werden wir angesichts der demographischen Entwicklung mit Sicherheit nicht vorbeikommen. Ob dies die Rente mit 70 oder ein flexiblerer Rentenkorridor sein soll oder auch wird, darüber streiten sich die Gelehrten. In  den skandinavischen Ländern hat man teilweise schon Nägeln mit Köpfen gemacht. Nur in Deutschland sind alle politisch Verantwortlichen auf Tauchstation. Vor allem Sozialdemokraten meiden dieses Thema, weil die Forderung nach einer längeren Lebensarbeitszeit oder die Anpassung an die allgemeine  Entwicklung des Alters unpopulär ist. Soeben wurde dies wieder bestätigt durch eine Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes GfK. Danach lehnt eine überwältigende Mehrheit der Deutschen eine weitere Anhebung des Renteneintrittsalters ab. Mehr als drei Viertel der Bürger sind dagegen, die gesetzliche Altersgrenze an die steigende Lebenserwartung zu koppeln.

Grundsatzstreit in der AfD zur Rente

Es ist bekanntlich leichter, den politischen Gegner anzugreifen, als selbst eine konsensuale Position zu erarbeiten, die gemeinschaftlich nach außen vertreten werden kann. Das spürt jetzt die Alternative für Deutschland (AfD) in der Rentenfrage. Im Bundestagswahlkampf musste sie sich noch vorhalten lassen, zu dieser zentralen Sachfrage überhaupt keine Meinung zu haben. Als das DIA vor der Wahl die Parteien auf den Prüfstand stellte, kam vom AfD-Abgeordneten Albrecht Glaser nur heiße Luft, aber keine Sachposition zu zahlreichen  kontroversen Fragen. Jetzt hat sich die Partei des Themas angenommen und steckt in einem handfesten Grundsatzstreit. Jürgen Pohl, thüringischer Bundestagsabgeordneter und ehemaliger Büroleiter des umstrittenen Landeschefs Björn Höcke will die Rente zum sozialpolitischen Generalthema im Osten machen. Schließlich sei die AfD die Partei der kleinen Leute.

Im Konflikt mit EU-Recht

In einer Ausarbeitung warnt Pohl vor der „Verelendung ganzer Alterskohorten“ und der „Zerstörung des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung“. Seine Lösungsvorschläge gleichen weithin denen der Linkspartei. So soll das Rentenniveau auf 50 Prozent angehoben werden. Von staatlich geförderter Privatvorsorge hält Pohl nichts. Von den Wohltaten sollen allerdings nur Senioren mit deutscher Staatsbürgerschaft profitieren. Europarechtlich ist das wohl kaum machbar, sind unter den 38 Millionen aktiv Versicherten doch fünf Millionen Beitragszahler mit ausländischem Pass.

Rechts blinken, links überholen

Schließlich treten die Autoren des Pohl-Papiers noch für die Kinderrente ein. Eltern sollen einen festen Rentenaufschlag erhalten, der von der Zahl ihrer Kinder abhängt. Bei den Beiträgen sollen Väter und Mütter zuvor für jedes Kind entlastet werden. Der AfD-Vorsitzende Meuthen hält offenkundig nichts von solchen Vorstellungen. Er warnte davor, die Linkspartei links überholen zu wollen. Ein von der Bundestagsfraktion vom Parteivorstand erbetenes Kompromisspapier liegt noch nicht vor, einige Einzelkämpfer repräsentieren mit ihren Positionen auch nicht die Gesamtpartei. Alice Weidel plädiert für eine Übernahme des Modells ihrer Schweizer Wahlheimat. Die gesetzliche Rente ist dort eine Säule, den Rest bestreiten die Bürger aus kapitalgedeckten Arbeitnehmerversicherungen oder steuerlich geförderten Geldanlagen.