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Ein Interpretationsversuch zur geplanten Grundrente

Im Koalitionsvertrag der möglichen dritten Großen Koalition von CDU/CSU und SPD ist eine Grundrente vorgesehen. Dr. Johannes Steffen von der Online-Plattform www.portal-sozialpolitik.de hat einen Interpretationsversuch zu diesem Vorhaben unternommen.

Erste Anmerkung: Die Auswahl der Zeiten, die für einen Anspruch auf diese Grundrente erreicht werden müssen, ist seiner Meinung nach kritikwürdig. Dabei geht es ihm nicht um das Wartezeiterfordernis an sich.

Damit werde zwar eine zweifellos hohe Hürde gesetzt, aber bei der häufig als Vorbild angeführten Rente nach Mindestentgeltpunkten sei auch eine Wartezeit von 35 Jahren mit rentenrechtlichen Zeiten erforderlich gewesen. Nach den bisherigen Formulierungen im Koalitionsvertrag ist allerdings offen, ob und welche Zeiten der Arbeitslosigkeit berücksichtigt werden. Bislang ist die Rede nur von Beitragszeiten sowie Zeiten der Kindererziehung und Pflege von Angehörigen. Phasen der Arbeitslosigkeit werden in den Rentenbiografien aber sehr unterschiedlich bewertet.

Erwerbsgeminderte ausgeschlossen

Zu welchen langwierigen Diskussionen das führen kann, war bei der Rente mit 63 zu beobachten. Steffen sieht in diesem Punkt noch Klärungsbedarf. Zweitens moniert er, dass Zurechnungszeiten nicht für das Wartezeiterfordernis von 35 Jahren gelten. Damit seien Erwerbsminderungsrentner von der Grundrente in aller Regel ausgeschlossen. Aber gerade diese Gruppe hat derzeit ein überdurchschnittliches Risiko, in die Grundsicherung im Alter zu geraten.

Freibetrag wieder vom Tisch

Auch zur Ausgestaltung der Grundrente hat sich Steffen Gedanken gemacht. In den  Verhandlungen zum Vertrag war zunächst von einem klassischen Freibetrag in Höhe von zehn Prozent der Rente bei der Anrechnung auf die Grundsicherung die Rede. Diese Lösung wurde mittlerweile aber wieder verworfen, weil damit das formulierte Ziel (Einkommen in Höhe von zehn Prozent über dem Grundsicherungsbedarf) nicht punktgenau zu erreichen ist. Solche Freibeträge sind außerdem vergleichsweise teuer. Sie vergrößern den Kreis der Bezugsberechtigten. „Personen mit einem Einkommen knapp oberhalb des Fürsorgebedarfs rutschen durch die Gewährung eines (weiteren) Freibetrages rechnerisch in die Bedürftigkeit“, schreibt Dr. Johannes Steffen.

Einführung als Ergänzungsleistung?

Der Betreiber des Portals Sozialpolitik sieht daher eher eine andere Lösung als wahrscheinlich an: Die Grundrente könnte als Ergänzungsleistung umgesetzt werden. Bei der Grundsicherung würde diese von der Einkommensanrechnung freigestellt. Diesen Vorschlag leitet er aus den Formulierungen im Koalitionsvertrag ab. Danach ist die Grundrente für bestehende und zukünftige Grundsicherungsbezieher vorgesehen. Es besteht also nur dann Anspruch auf die Grundrente, wenn Fürsorgeabhängigkeit festgestellt wurde.

Vorschlag zum Verfahren

Folgendes Verfahren könnte sich Steffen vorstellen: Der Träger der Grundsicherung stellt im Einzelfall den Bruttobedarf fest und teilt, sofern eine Altersrente als Einkommen anzurechnen ist, die festgelegte Bedarfshöhe dem Träger der Rentenversicherung mit. Dieser prüft dann das Wartezeiterfordernis. Erfüllt der Versicherte die Wartezeit, erhält er zehn Prozent des Bruttobedarfs als Grundrente. Eine solche Ergänzungsleistung erhöht dann das verfügbare Einkommen um zehn Prozent des Grundsicherungsbedarfs. Der Kreis der Fürsorgeberechtigten wird damit aber nicht ausgeweitet, wie es bei einem Freibetrag der Fall wäre.

Erwartungen werden kaum erfüllt

Ein solches Vorgehen erfüllt nach Auffassung von Steffen aber selbst die schon geringen Erwartungen an die Einführung der Grundrente kaum. Er demonstriert dies an einem Zwei-Personen-Rentner-Haushalt. Als Grundsicherungsbedarf setzt er 1.400 Euro an, je Haushaltsmitglied 700 Euro. Lediglich der Ehemann hat eine Rente in Höhe von netto 1.100 Euro. Sie geht in die Prüfung zur Grundrente ein. Der Ehemann hätte damit weder Anspruch auf Grundsicherung noch auf Grundrente, obwohl er die Wartezeit erfüllt. Die seinen eigenen Bedarf übersteigenden 400 Euro werden der Ehefrau zugerechnet. Ihr Anspruch auf aufstockende Grundsicherung beträgt dann 300 Euro. Da sie selbst die Wartezeit nicht erfüllt, hat sie aber keinen Anspruch auf Grundrente. „Am Ende überstiege das verfügbare Einkommen des Rentners nicht seinen sozialhilferechtlichen Bedarf“, schreibt Steffen.

Heftige Diskussionen stehen noch bevor

Wolle man ein solches Ergebnis verhindern, dürfe der Zugang zur Grundrente nicht den individuellen Bezug von Grundsicherung im Alter zur Voraussetzung haben. Stattdessen müsse die Bedarfsgemeinschaft insgesamt betrachtet werden. Das ist im Sozialgesetzbuch so aber nicht vorgesehen. Außerdem werden die Autoren des Koalitionsvertrages dagegenhalten, dass sie mit der Grundrente ja auf jene zielen, die jahrelang in die Rentenkasse eingezahlt haben. Bei einer Freibetragsregelung dagegen wäre der beschriebene Rentnerhaushalt besser gestellt. Die Umsetzung der Grundrente wird also, sofern die Große Koalition denn zustande kommt, noch für einige Diskussionen sorgen.