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Frührentner-Boom und Berliner Bummelstreik

Bisweilen sind politische Entscheidungen in betroffenen Zielgruppen höchst populär. Das gilt auch, wenn sie unter dem Aspekt der Generationengerechtigkeit und vor allem auch aus psychologischen Gründen fragwürdig sind.

So verhält es sich mit der 2014 unter Andrea Nahles als Arbeitsministerin durchgesetzten Rente mit 63 nach 45 Versicherungsjahren. Seit Einführung dieser Rente stellten 1,2 Millionen betroffene Arbeitnehmer einen Antrag auf die abschlagsfreie vorzeitige Rente. Im vergangenen Jahr kam es, so die neuesten Zahlen aus den Statistiken der Rentenversicherung, zu 251.000 neuen Anträgen. Im Jahr zuvor waren es 254.000. Mit der Zeit wächst sich allerdings dieses hochumstrittene Privileg aus.

Die Altersgrenze steigt nämlich seit Inkrafttreten der Regelung von Jahr zu Jahr um zwei Monate an, so dass die Jahrgänge ab 1964 erstmals wieder mit 65 nach 45 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen können.

Was die Gewerkschaften entzückt, findet freilich die Kritik der Unternehmen. Steffen Kampeter, der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände, nennt die Regelung eine „Wachstumsbremse“. Er verweist auf die von der Wirtschaft dringend benötigten Fachkräfte, die in diesem in die Frühverrentung abwandernden Potential zu finden sind. Es ist in der Tat absurd, dass man sich um Fachkräfte aus dem Ausland bemüht und einheimischen Experten gleichzeitig den „Vorruhestand“  erleichtert. In Europa verstehen den deutschen Weg ohnehin nur sehr wenige. So empfehlen wir den Krisenstaaten, das Rentenalter zu erhöhen, und gehen selbst mit schlechtem Beispiel voran.

Alle drücken sich vor Erhöhung des Rentenalters

Der Anwärter-Boom bei der Rente mit 63 erklärt natürlich auch, warum sich alle Parteien zur Lösung der demographischen Probleme des Landes um eine Verlängerung oder eine Flexibilisierung der Lebensarbeitszeit drücken. Forderungen nach einer Rente mit 70 gelten als politische K.o.-Formeln. Dass die Menschen von Jahr zu Jahr im Durchschnitt länger leben und dies erhebliche Konsequenzen für die Finanzierung einer angemessenen Altersvorsorge hat, ist ausgeblendet. Vor allem die SPD belegt dieses Thema mit einem absoluten Tabu. Vor diesem Hintergrund darf man gespannt sein auf die Ergebnisse der von der Bundesregierung eingesetzten Rentenkommission. Diese legt 2020 ihre Vorschläge für eine langfristige Finanzierung der Altersvorsorge vor. Der Expertenkreis würde seine Mahnungen aus der Vergangenheit selbst ad absurdum führen, wenn er diese Frage umschifft. Ob die Regierung der Kommission allerdings dann folgt, steht auf einem anderen Blatt.

Digitale Renteninformation lässt auf sich warten

Obwohl jeden Tag die Digitalisierung geredet wird, ist es um die auch in der Koalitionsvereinbarung enthaltene „säulenübergreifende Renteninformation“ still geworden. Dass man seine Rentenansprüche künftig auf dem Smartphone ablesen kann, sehen alle als wichtigen Schritt zur Verbesserung der Transparenz an. „Jeder Bürger soll auf einem Blatt Papier sehen können, was er aus der gesetzlichen Rente, aus einer Betriebsrente und seiner privaten Altersvorsorge am Ende fürs Alter rausbekommt“, so kündigte es Bundesfinanzminister Olaf Scholz an. Gleichzeitig sprach er die Hoffnung aus, eine solche Renteninformation „bald“ hinzubekommen. Was im Berliner Schneckentempo allerdings „bald“ heißt, da sollte man keine illusionären Erwartungen haben. Noch die alte Bundesregierung gab den Auftrag für die konzeptionellen Grundlagen eines solchen Projekts. Das Deutsche Institut für Altersvorsorge (DIA) machte zuvor in einer Studie deutlich, dass andere europäische Staaten, zum Beispiel in Skandinavien, ihren Bürgern schon zahlreiche interessante Informationsangebote machen.

Bummelstreik der Regierung

Der Abschlussbericht der Gutachter zu einem deutschen Forschungsvorhaben soll nun im ersten Quartal dieses Jahres auf den Tisch kommen. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Freien Demokraten hervor. Der liberale Fraktionsgeschäftsführer Marco Buschmann spricht von einem „Bummelstreik der Regierung“. Der Parlamentarier nennt Transparenz in der Altersvorsorge „kein Gimmick, sondern einen Gamechanger.“ So könnten nämlich potenzielle Versorgungslücken aufgedeckt werden. Von Fachleuten hört man übrigens, dass die neue Renteninformation künftig nicht auf dem von Minister Scholz erwähnten Blatt Papier erhältlich ist, sondern eher auf einer Smartphone-App.