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Experten nehmen Kurs auf Rente mit 70

Während die Parteien sich im Bundestagswahlkampf über soziale Gerechtigkeit streiten, mahnen führende Wirtschaftswissenschaftler in Deutschland mehr Realismus in der Rentenpolitik der Zukunft an.

Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) und Michael Hüther, der Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) appellieren an die Politik, über das Renteneintrittsalter nachzudenken.

In einer Frage sind sich die beiden Top-Ökonomen jedenfalls einig: Die Rente mit 70 muss kommen. Originalton Fratzscher: „Für jedes Jahr zusätzlicher Lebenserwartung müssen die Menschen acht Monate länger arbeiten, damit das Rentensystem überhaupt finanzierbar bleibt. Deswegen müssen wir irgendwann über die Rente mit 70 reden“. Eine Forderung, der Hüther zustimmt. Er verweist darauf, dass die Rente mit 67 ab 2030 für alle gilt. Danach müsse auf einer Anpassungstreppe das Renteneintrittsalter verlängert werden. Der neue Zielwert müsse bei 70 Jahren liegen.

Abgesehen vom Betriebsrentenstärkungsgesetz halten die beiden Experten von den Rentenreformen der Großen Koalition nichts. Die Rente mit 63 nach 45 Versicherungsjahren und die Erhöhung der Mütterrente seien – so Fratzscher – „schwere sozialpolitische Fehler“ gewesen. Dabei handele es sich um eine „riesige Umverteilung von jungen zu alten Menschen, die sich noch rächen wird“. Mit den Wahlprogrammen der Parteien der Großen Koalition können die beiden Spitzen-Ökonomen auch nichts anfangen. Rüther hält es für völlig unverantwortlich, dass CDU/CSU und auch die SPD in ihren Wahlprogrammen so tun, als gäbe es entweder gar keinen Handlungsbedarf oder sogar noch die Chance für weitere Rentengeschenke. Das sei eine fatale Einstellung.

Am weitesten entfernt von den Vorstellungen der Wirtschaft ist das Wahlprogramm der Linken, das eine Rückkehr zum Rentenalter mit 65 verlangt und gleichzeitig die Steigerung des gesetzlichen Rentenniveaus auf 58 Prozent empfiehlt. Die meisten Übereinstimmungen gibt es wohl mit den Freien Demokraten, die ein starres Renteneintrittsalter ablehnen. Wer länger arbeitet, soll mehr Rente erhalten und wer früher in Rente geht, soll weniger bekommen. Außerdem sollen die Zuverdienstmöglichkeiten ausgeweitet werden.

Renteneintrittsalter steigt europaweit an

Mit einer Erhöhung des Renteneintrittsalters angesichts der demografischen Entwicklung liegt Deutschland im europäischen Trend. In Großbritannien liegt das Renten alter derzeit bei 65 Jahren und soll bis 2028 schrittweise auf 67 Jahre angehoben werden. Auch in Polen, Spanien und in den Niederlanden nimmt man Kurs auf 67, in Irland schon ab 2021 und ab 2028 dann auf 68 Jahre.

Eine sinkende Nachfrage gab es übrigens bei der Rente mit 63 im Jahre 2016. Die Deutsche Rentenversicherung bewilligte insgesamt rund 225.000 neue Anträge, wie aus aktuellen Statistiken der Behörde hervorgeht. Das macht einen Rückgang von 49.000 Neurentnern, rund 18 Prozent, aus. Grund für diese Entwicklung ist weniger eine sinkende Attraktivität der Angebote, sondern veränderte Altersgrenzen, die dem Gesetz zufolge jedes Jahr um zwei Monate angehoben werden. Der Kreis der Anspruchsberechtigten habe sich damit reduziert, so die Deutsche Rentenversicherung.

Auch die Riester-Zuschüsse schmelzen weiter. Angesichts des anhaltenden Niedrigzinses verliert Riester immer mehr an Anziehungskraft. Deshalb werden die staatlichen Zuschüsse nach Angaben der Rentenversicherung immer weniger ausgeschöpft. Versicherte hätten im Jahr 2013 im Schnitt nur noch 122,95 Euro Grundzulage erhalten, meldete „Bild“. Wegen steuerlicher Freisten wurden die Daten erst jetzt veröffentlicht. Ein Jahr zuvor hatte die Grundzulage im Durchschnitt noch 124,05 Euro betragen. Ursache war, dass viele Beschäftigten nicht genug sparten, um die volle Zulage zu erhalten. Leicht angestiegen waren dagegen die Kinderzulagen.