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Europas Vergreisung und neoliberaler Galopp

Europa hat sich seine Bezeichnung als „alte Welt“ im Laufe der Jahrzehnte immer mehr verdient.

Unser Kontinent vergreist im Vergleich zu anderen Erdteilen immer mehr. Tummelt man sich auf den Straßen von Nairobi, Kalkutta und dann in Berlin kann man die Unterschiede unschwer feststellen. Eine hochinteressante Studie zur demografischen Zukunft Europas, für die das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung verantwortlich ist, zeichnet ein facettenreiches Bild von künftig immer schwerer zu finanzierenden Sozialleistungen und von Problemen bei der Rekrutierung von Fachkräften. Dabei seien „gerade die Volkswirtschaften im 21. Jahrhundert auf gut qualifizierte Arbeitnehmer angewiesen“, so der Direktor des Instituts, Reiner Klingholz.

Wie in vielen anderen Fragen, so ist Europa auch bei der Demografie gespalten. Eine Analyse von 290 Regionen zeigt, dass sich der Kontinent hinsichtlich seiner Bevölkerungsentwicklung immer mehr regional spaltet. Im Zentrum Europas, im Norden und Westen sorgten höhere Kinderzahlen und vor allem Zuwanderung für Bevölkerungswachstum, Regionen in Süd- und Osteuropa veröden dagegen immer mehr. Was also tun, fragten sich die Studienautoren? Eine „geburtenfördernde Politik“ – wie etwa die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie – sei zwar wichtig,  aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Viel bedeutsamer sei, auf dem Arbeitsmarkt benachteiligte Gruppen wie Frauen, Geringqualifizierte und Migranten besser einzubinden.

Deutschland hat in den Vereinten Nationen den wenig schmeichelhaften Titel des „Super-Agers“. Auf je 100 Personen im Alter von 15 bis 64 Jahren kommen mehr als 30 Personen, die 65 Jahre oder älter sind. Eine ähnliche Altersstruktur besitzen die „Südlichter“ Griechenland, Italien und Portugal. Osteuropäische Staaten wie Polen, Ungarn oder Rumänien sind erheblich jünger, doch gerade dort stehen erhebliche Alterungen der Gesellschaft noch bevor.

Zuwanderung ist kein Allheilmittel gegen Überalterung der Gesellschaft

Bis 2050 sollen sich allerdings die Unterschiede eingeebnet haben. Nahezu depressiv kommen die Studienautoren deshalb zu dem Ergebnis, dass wir weder politisch noch wirtschaftlich oder gar demografisch ein Zusammenwachsen Europas erleben, eher das „Gegenteil von Kohäsion“, die „Regionen entwickeln sich auseinander“. Dennoch ist Europa für das Institut kein Auslaufmodell, sagt Direktor Klingholz mit Blick auf die gestiegene Zuwanderung. Entscheidend sei, dass die Zuwanderer gut integriert würden. „Ein starkes Europa in einer globalisierten Welt muss ein offenes und internationales Europa sein, dass seine gemeinsame Plattform erst noch finden muss“, meint Klingholz. Die Alternative wäre ein „schrumpfendes Altersheim, das irgendwann Geschichte wäre“.

Was die Geburtenrate in Deutschland angeht, so liegen wir mit 1,5 Kindern pro Frau knapp hinter dem Durchschnitt der Europäischen Union zurück. Unsere Nachbarn sind zeugungsfreudiger, allen voran die Französinnen mit durchschnittlich 1,92 Kindern, gefolgt von Schweden mit 1,85 Kindern. Eine schwächere Geburtenrate als Deutschland haben die Portugiesen mit durchschnittlich 1,31 Kindern pro Frau, gefolgt von Polen und Zypern. Hier hatten die Frauen im Schnitt 1,32 Kinder. Allerdings gab es bei den Geburten eine bescheidene Trendwende. Trotz Unterschreitung des EU-Durchschnitts ist die Geburtenrate in Deutschland im Aufwind. Die Zahlen sind so hoch wie seit der Wiedervereinigung nicht mehr.

Der baden-württembergische Landtag und das leidige Thema der Altersvorsorge

Können sich Abgeordnete, wenn es um ihre eigene Altersversorgung geht, „neoliberal vergaloppieren“? So jedenfalls lautet die konsensuale Mandatsträger-Kritik an der Altersvorsorge der Abgeordneten im baden-württembergischen Landtag, wo Bündnis 90/Die Grünen und die Christdemokraten die Mehrheit haben. Man erinnere sich: Unter dem früheren CDU-Ministerpräsidenten Stefan Mappus wurde das private Element bei der Parlamentarier-Pension gestärkt, bis viele Mandatsträger über die Verschlechterung der Bedingungen murrten und auf eine Neuregelung drängten. Als man gemeinsam mit der sozialdemokratischen Opposition im Eilverfahren ein neues Gesetz durchzupeitschen versuchte, gab es zahlreiche Proteste. Kleinlaut ließ man die Pläne in den Schubladen verschwinden. Jetzt hat eine Expertenkommission ihre Beratungen aufgenommen. Das Ergebnis ist unschwer vorauszusagen: Mehr staatliche Vorsorge ist auch im Musterländle geboten.