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Denkanstöße zur Alterssicherung

Zwei aktuelle EU-Initiativen zur sozialen und Alterssicherung finden Zustimmung auch bei DRV-Präsidentin Gundula Roßbach. Gleichzeitig spart die Rentenexpertin aber auch nicht mit Kritik.

In der „Europäischen Säule sozialer Rechte“, die vor wenigen Tagen auf dem EU-Sozialgipfel in Göteborg proklamiert wurde, sieht die Präsidentin der Deutschen Rentenversicherung Bund, Gundula Roßbach, „durchaus inhaltliche Schnittstellen“ zur aktuellen Debatte hierzulande.

Das betrifft nach ihren Worten zum einen die Einbeziehung der Selbstständigen in die obligatorische Alterssicherung, die „auch in der deutschen Politik gegenwärtig wieder auf der Tagesordnung steht“. Zum anderen geht es dort um ein „angemessenes Einkommen im Alter“. Ein Grundsatz, der sich auf die Alterssicherung insgesamt beziehe und damit „kompatibel“ mit dem deutschen Altersvorsorgemodell aus mehreren Säulen zur Lebensstandardsicherung sei, wie Roßbach befindet. Sie äußerte sich dazu unmittelbar im Vorfeld des EU-Sozialgipfels vor Journalisten in Würzburg.

Keine Vermischung von Versicherungs- und Fürsorgeprinzip

Die Rentenexpertin moniert allerdings Unschärfe hinsichtlich der möglichen Umsetzung dieses EU-Grundsatzes, der auch die Vermeidung von Altersarmut als Ziel einschließt. In Deutschland würden beide Ziele in verschiedenen Systemen angestrebt – mit beitragsäquivalenten Versicherungsleistungen auf der einen Seite sowie bedarfs- und bedürftigkeitsorientierten Grundsicherungsleistungen auf der anderen. „Eine Vermischung von Versicherungs- und Fürsorgeprinzip würde in unserem Rentensystem erhebliche Verwerfungen nach sich ziehen“, befürchtet die DRV-Präsidentin. Es sei deshalb am besten, die angestrebten Ziele im „Zusammenwirken mehrerer Einzelsysteme zu realisieren“.

Keine falschen Erwartungen wecken

Außerdem stellt sie klar: Bei der „Europäischen Säule sozialer Rechte“ handelt es sich um eine – rechtsunverbindliche – Proklamation. Die dort beschriebenen sozialen Rechte sind damit „nicht unmittelbar einklagbar“. Dies sollte auch deutlich kommuniziert werden, damit keine falschen Erwartungen geweckt würden. Als Orientierungsrahmen für die Entwicklung sozialpolitischer Leistungen könne die Säule gleichwohl „sozialpolitischen Nutzwert“ entfalten.

Grenzen der Kompetenzen

Am Konsultationsprozess dazu war auch die Deutsche Rentenversicherung beteiligt. Auf breiter Front durchgefallen war Roßbach zufolge dabei ein erster Entwurf, der das Rentenalter vom Grundsatz her an die Lebenserwartung koppelte. Die Festlegung des Rentenalters sei zweifellos ein zentrales Gestaltungselement der nationalen Sicherungssysteme. Es liege damit „nicht im Kompetenzbereich der europäischen Ebene“, so die DRV-Chefin.

Die Kompetenzverteilung zwischen beiden Ebenen sprach sie auch im Hinblick auf die geplanten standardisierten europäischen privaten Altersvorsorgeprodukte an – die sogenannten PEPP (englisch: Pan-European Personal Pension Product). Soweit es sich um die reine Regulierung von Kapitalmarktprodukten handle, habe die europäische Ebene durchaus Gestaltungskompetenzen. „Sobald jedoch die nationalen Steuersysteme betroffen sind, liegt die Kompetenz bei den Mitgliedsstaaten“, betont Roßbach. Dies sei spätestens dann relevant, wenn es um die Voraussetzung der steuerlichen oder anderweitigen staatlichen Förderung der PEPP-Produkte gehe.

Geplante PEPP-Produkte lassen viele Wünsche offen

Die DRV-Präsidentin nimmt hierbei viele Kritikpunkte des Bundesrates zu den jüngsten Regelungsvorschlägen der EU-Kommission auf und zeigte sich „wenig überrascht“, dass dieser eine Förderung der PEPP-Produkte ähnlich dem Riester-Modell „nicht für angezeigt“ hält. So wären Einmalzahlungen oder zeitlich befristete Auszahlungspläne – angesichts einer steigenden Lebenserwartung – wohl kaum „Teil einer verlässlichen Lebensstandardsicherung“. Außerdem sollte zumindest der Erhalt der eingezahlten Beiträge sowie der staatlichen Förderung garantiert und die Leistungskürzung während der Auszahlungsphase ausgeschlossen sein. An dieser Stelle ihr Seitenhieb Richtung Gesetzgeber einschließlich Bundesrat. Dieser habe erst vor wenigen Monaten diese Positionen im Rahmen des Betriebsrentenstärkungsgesetzes „selbst teilweise eingeschränkt“.

Leitbild darf nicht nur Leitbild bleiben

„Bei aller Kritik“ sieht Roßbach aber auch in den aktuellen Vorschlägen der EU-Kommission einen „hilfreichen Anstoß“ für die Weiterentwicklung der kapitalgedeckten Altersvorsorgeprodukte. Unstrittig sei: Die Verbreitung der zusätzlichen Altersvorsorge – in der zweiten und dritten Säule – müsse gesteigert werden, „wenn die Lebensstandardsicherung aus mehreren Säulen nicht nur Leitbild, sondern auch Realität der Alterssicherung werden soll“.


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