Website-Icon DIA Altersvorsorge

Adoptivmütter gehen leer aus

Viele Rentnerinnen, die vor Jahren Kinder adoptiert haben, werden in den nächsten Monaten sehr genau verfolgen, wie die im Koalitionsvertrag vorgesehene Mütterrente II umgesetzt wird.

Es ist nämlich zu befürchten, dass sich eine Ungerechtigkeit aus der vorangegangenen Legislaturperiode wiederholt. Bleibt es bei der Praxis, die für die erste Erhöhung der Mütterrente angewandt wurde, geht erneut ein großer Teil jener Mütter oder Väter, die adoptierte Kinder großgezogen haben, leer aus.

Wo liegt das Problem? Als 2014 in einem ersten Schritt für Frauen mit vor 1992 geborenen Kindern die Kindererziehungszeiten um ein Jahr erhöht wurden, sollte der Aufwand für die Rentenversicherung überschaubar bleiben. Schließlich wollte die Große Koalition die Verbesserung schnell umsetzen. Aus Gründen der „Verwaltungsvereinfachung und Verwaltungspraktikabilität“ erhielten nur jene Rentnerinnen den zweiten Rentenpunkt, die bereits Anspruch auf ein Jahr Kindererziehungszeiten hatten. So regelt es der Paragraf 307d des Sozialgesetzbuches VI. Danach muss bereits eine Kindererziehungszeit für den zwölften Kalendermonat nach Ablauf der Geburt bestanden haben. Viele Adoptionen erfolgen aber nach dem ersten Lebensjahr.

Damit wurde beim Ausbau der Mütterrente eine Regelung fortgesetzt, die schon davor schwer zu verstehen war. Adoptiveltern, die Kinder erst nach dem 1. Geburtstag aufgenommen haben, profitierten nicht von der Verbesserung. Die Mütterrente I ist immer eine Erhöhung von einem auf zwei Entgeltpunkte. Teilweise Anrechnungen fanden nicht statt. Mütter, die im zweiten Jahr ein Kind zu sich nahmen, hatten überhaupt keinen Anspruch. Sie bekommen nachträglich auch für das zweite Lebensjahr des Adoptivkindes keine Anrechnungszeit.

Bestandsrentnerinnen im Nachteil

Damit sind die Bestandsrentnerinnen klar im Nachteil. Während bei ihnen die Rentenversicherung keine nachträglichen Nachforschungen anstellt, klärt sie bei künftigen Rentnerinnen die Situation genauer. Sie erhalten auch Rentenpunkte für Adoptivkinder, die nach dem ersten Geburtstag in die Familie gekommen sind. Dabei entsteht folgendes Kuriosum. Bei einem Kind, das wenige Tage nach dem ersten Geburtstag adoptiert wurde, hat dadurch die leibliche Mutter Anspruch auf die erhöhte Kindererziehungszeit. Das Kind war im zweiten Lebensjahr aber gar nicht mehr bei ihr.

Ministerium wies Kritik zurück

Kritik an diesem Verfahren wies das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) mit einem Verweis auf Wesen und Zweck der rentenrechtlichen Erziehungszeit zurück. Sie soll nämlich Nachteile ausgleichen, die Mütter oder Väter hinnehmen, wenn sie in der ersten Phase nach der Geburt eines Kindes wegen einer in dieser Zeit besonders aufwändigen Betreuung häufig gar nicht oder nur eingeschränkt erwerbstätig sind und deshalb keine oder nur geringe Rentenansprüche erwerben. Daher wäre es nicht gerechtfertigt, Adoptiveltern einen anderen, späteren Zeitraum als Kindererziehungszeit anzurechnen.

Dazu sollte man allerdings wissen, dass die Jugendämter den Adoptivmüttern oder -vätern häufig empfehlen, in der ersten Zeit nach der Adoption ihre Erwerbstätigkeit aufzugeben, damit sie sich ganz und gar auf die neue Situation in der Familie und ihr Adoptivkind einstellen können. Das federführende BMAS sah sich 2014 in seiner Auffassung dennoch durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVG) bestätigt. Nach Auffassung des BVG geht es nicht um die abstrakte Anerkennung von Erziehungsleistungen. Der Gesetzgeber will vielmehr die Fürsorge für das Kind in der ersten Lebensphase fördern.

Pauschales Verfahren erfasst nicht alle Ansprüche

Bei den Bestandsrentnerinnen läuft diese Begründung freilich dann ins Leere, wenn sie das Kind im zweiten Lebensjahr adoptierten. Dann wären die Voraussetzungen ja zumindest für ein Kindererziehungsjahr erfüllt gewesen. Da aber die Gewährung des zweiten Entgeltpunktes für vor 1992 geborene Kinder von der Speicherung einer Kindererziehungszeit im zwölften Kalendermonat nach Geburt des Kindes abhängt, bekommen diese Adoptivmütter keinen zusätzlichen Rentenpunkt.

Dieses Manko der gesetzlichen Regelung war dem Ministerium durchaus bewusst. „Zwingende Folge dieser Pauschalisierung ist allerdings, dass nicht jeder Erziehende, der das Kind im zweiten Lebensjahr tatsächlich erzogen hat, begünstigt wird“, hieß es in einem Schreiben an den Bundesverband der Pflege- und Adoptiveltern (PFAD). Bei dem Verband gingen erwartungsgemäß viele Anfragen von betroffenen Müttern ein, zeitweise täglich mindestens zwei. Betroffen waren nach Schätzungen des PFAD Bundesverbandes fast 40.000 Mütter und Väter.

Was kommt bei der Mütterrente II?

Bei der Mütterrente II ist der Kreis der Betroffenen, gilt erneut das vereinfachte Verfahren, wahrscheinlich nicht ganz so groß. Den dritten Rentenpunkt sollen nur Mütter erhalten, die drei oder mehr Kinder vor 1992 bekommen haben. Allerdings nehmen gerade Familien mit Kindern zusätzlich ein Pflegekind in Obhut, das sie später häufig adoptieren. Der Bundesverband der Pflege- und Adoptiveltern befürchtet, dass wieder das pauschalisierte Verfahren für die Bestandsrentner gilt. Ob es dazu kommt, lässt sich derzeit noch nicht sagen. Die genaue Ausgestaltung des Gesetzentwurfs bleibe abzuwarten, antwortete eine Sprecherin des BMAS auf Nachfrage.

Um das Ärgernis aus der Welt zu schaffen, hat der Verband schon vor einiger Zeit einen Kompromissvorschlag entwickelt. Danach sollen Mütter, also auch Adoptiv- und Pflegemütter, für die Erziehungsarbeit für alle Kinder bis zwölf Jahre mindestens einen Entgeltpunkt oder eine Anerkennung von zwölf Monaten erhalten. Das wäre auch eine pauschale verwaltungsarme Lösung, auf die Politiker wegen der schnellen Umsetzung der Mütter-Rente immer gedrängt haben. Das Alter von zwölf Jahren entspräche dann der von der gesetzlichen Krankenversicherung anerkannten Betreuungszeit von Kindern (SGB V § 45 Absatz 1).

Es gäbe noch eine Alternative: Adoptivmütter könnten auf Antrag die zusätzlichen Entgeltpunkte zusammen mit einem Nachweis der Erziehungszeiten im zweiten und dritten Lebensjahr des Kindes verlangen. Dann müsste die Rentenversicherung nicht alle Rentenkonten bearbeiten, sondern nur jene der Antragstellerinnen. Lösungen, die mehr Gerechtigkeit brächten, sind also durchaus zu finden.