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Einkommensgerechtigkeit: zwischen Gefühlen und Werten

Geld und Einkommen

Wie gerecht das eigene Erwerbseinkommen bewertet wird, kann durchaus als Indiz für die allgemeine Einkommensgerechtigkeit gelten. Allerdings kommt dabei auch gefühlte Gerechtigkeit ins Spiel.

Nicht nur in Deutschland geht die Spanne zwischen Niedrig- und Gutverdienern weiter auseinander. Diese Kluft existiert auch in anderen europäischen Ländern. Jedoch fällt laut einer aktuellen Studie auf Basis der 9. Welle des European Social Survey (ESS) die Einschätzung der Einkommensgerechtigkeit mitunter anders aus als hierzulande. Wissenschaftler des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) werteten dazu die Antworten von 34.000 Befragten aus 18 Ländern aus.

Niedrige Einkommen eher als ungerecht empfunden

Darin zeigte sich, dass die überwiegende Mehrheit aller Befragten (84,4 Prozent) in Europa niedrige Erwerbseinkommen im eigenen Land als ungerecht einschätzt. Der dazu in Deutschland ermittelte Wert ist mit 84,1 Prozent nahezu identisch. Bei hohen Einkommen unterscheiden sich die Bewertungen von Deutschen und Befragten in den anderen europäischen Staaten dagegen. Während von Letzteren  47,4 Prozent hohe Einkommen als ungerecht bezeichnen, waren nur 41,5 Prozent der Deutschen dieser Meinung. Anders formuliert: in Deutschland befürworten mehr Menschen, dass Einkommen strikter an Leistung als etwa am „Anrecht“ durch Herkunft gekoppelt ist. Dafür finden sich durchaus auch Wurzeln in der Vergangenheit.

Leistung muss sich immer noch lohnen

So prägte das Motto „Leistung muss sich wieder lohnen“ einen wirtschaftlichen und sozialpolitischen Umbruch in Deutschland ab Anfang/Mitte der 1980er Jahre. Von verschiedenen Quellen wird dieser Anspruch politisch der CDU und namentlich auch mal Helmut Kohl zugeschrieben. Später erlebte das Motto in verschiedenen Variationen beziehungsweise aus anderen politischen Lagern heraus ein Comeback, unter anderem als Slogan „Arbeit muss sich wieder lohnen“. Die DIW-Studie signalisiert, dass die damit verbundene Grundaussage in Deutschland durchaus Bestand hat. Unterstützt wird diese Sichtweise durch ein weiteres Ergebnis in Bezug auf das Kriterium „Gleichheit“. So wird im Vergleich zu Befragten in anderen europäischen Staaten eine Gleichverteilung von Einkommen in Deutschland häufiger abgelehnt.

Deutsche fühlen sich gerechter entlohnt

Das eigene Einkommen wird in Deutschland häufiger als gerecht bewertet als im restlichen Europa. Für 49 Prozent ist Einkommensgerechtigkeit gegeben. Gut sechs Prozent finden das eigene Einkommen ungerecht, weil es zu hoch (!) ausfällt.

Die restlichen Befragten halten es für zu niedrig oder haben gar keine Meinung dazu. Unter den Befragten im übrigen Europa hingegen fühlen sich nur 45 Prozent gerecht und 50 Prozent für zu gering entlohnt. Bei einem Trend besteht dagegen Übereinstimmung: Je höher das eigene Einkommen, desto gerechter wird es auch empfunden.

Mehr Kontrolle beim Mindestlohn

Welche Konsequenzen sich aus der Studie zur Einkommensgerechtigkeit im Niedriglohnsektor ergeben, fasst Stefan Liebig, Direktor des Sozio-oekonomischen Panels am DIW Berlin, zusammen: „Es soll auch sichergestellt sein, dass sich die unteren Einkommensgruppen einen angemessenen Lebensstandard leisten können – ein Versprechen, das zum Grundprinzip der sozialen Marktwirtschaft deutscher Prägung gehört.“ Mit der Einführung des Mindestlohnes nahm Deutschland eine Regulierung am unteren Rand der Einkommensverteilung vor. Zudem steigt der Mindestlohn mit der Zeit weiter an. Allerdings werde der Mindestlohn trotz guter Konjunktur nicht in allen Beschäftigungsverhältnissen beziehungsweise Branchen auch gezahlt oder er wird anderweitig umgangen. Deshalb weist die Studie darauf hin, dass neben bedarfs- und leistungsgerechten Löhnen vor allem eine stärkere Kontrolle nötig ist. Dies wäre ein wichtiger Schritt, um künftig für mehr empfundene Einkommensgerechtigkeit zu sorgen.