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Wie läuft die Übertragung von Betriebsrenten?

Gibt ein Arbeitnehmer mit einer betrieblichen Altersversorgung seinen bisherigen Job auf und wechselt zu einem anderen Unternehmen, stellt sich die Frage, was aus seiner bisherigen Betriebsrente wird.

Ein Verfahren für die Übertragung bestehender Anwartschaften existiert. Der Gesetzgeber hat dafür die Grundlagen geschaffen. Die Versorgungsträger haben sich auf einen Modus verständigt. Aber wie gut funktioniert dieses Verfahren in der betrieblichen Praxis?

Die Übernahme beziehungsweise Übertragung von Ansprüchen aus einer Direktversicherung, einer Pensionskasse oder einem Pensionsfonds ist in § 4 des Betriebsrentengesetzes (BetrAVG) geregelt. Danach kann seit 01. 01. 2005 nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Zusage zur betrieblichen Altersversorgung im Einvernehmen durch den neuen Arbeitgeber übernommen/übertragen werden. Einvernehmlich bedeutet, der neue Arbeitgeber muss zustimmen. Eine Verpflichtung besteht nicht. Bei der Übernahme tritt der neue Arbeitgeber in die arbeitsrechtliche Zusage mit allen Rechten und Pflichten und in den dazu abgeschlossenen Vertrag ein. Damit einher geht ein nicht zu unterschätzendes Haftungsrisiko für den neuen Arbeitgeber.

Wertgleiche Zusage durch neuen Arbeitgeber

Lehnt der neue Arbeitgeber die Übernahme ab, ist er verpflichtet, eine alternative Versorgungseinrichtung zur Fortführung der unverfallbaren Ansprüche anzubieten. In diesem Fall schließt der Mitarbeiter einen neuen Betriebsrentenvertrag beim neuen Arbeitgeber ab. Das Deckungskapital aus dem bisherigen Vertrag wird in den neuen übertragen. Dies ist zwischen den Durchführungswegen Direktversicherung, Pensionskasse und Pensionsfonds möglich. Der neue Arbeitgeber erteilt eine wertgleiche Versorgungszusage. Es verbleibt kein Haftungsrisiko aus der alten Zusage.

Dafür gelten einige Regeln. So muss der Mitarbeiter die Übertragung innerhalb eines Jahres nach Ausscheiden beim alten Arbeitgeber beim neuen verlangen. Der Übertragungswert darf die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht übersteigen (2023: West 87.600 Euro, Ost 85.200 Euro). 98 Versicherer sind mittlerweile dem Übertragungsabkommen beigetreten. Damit verpflichten sie sich, innerhalb von 15 Monaten nach Austritt beim alten Arbeitgeber die Fortführung von unverfallbaren Versorgungsansprüchen zu ermöglichen. Dazu gehören u. a. die Übertragung des Deckungskapitals und die Anrechnung von Abschlusskosten.

Theorie und Praxis sind unterschiedliche Welten

Soweit die Theorie. In der Praxis führen Arbeitgeberwechsel leider oftmals zu erheblichem Aufwand für alle Beteiligten. So sind häufig Gespräche zwischen dem Vermittler des Bestandsvertrages, dem Mitarbeiter, dem neuem Arbeitgeber und manchmal auch dem neu hinzukommenden Vermittler notwendig. Viele Mitarbeiter brechen sie ab oder meiden sie gänzlich. In der Folge stellen sie die alten Verträge beitragsfrei oder kündigen diese.

Die Übernahme einer bestehenden arbeitsrechtlichen Versorgungszusage auf freiwilliger Basis erfolgt zudem nach unserer Erfahrung wegen der Haftungsübernahme für den neuen Arbeitgeber nur sehr selten. Immer mehr Firmen haben Kollektivrahmenverträge über einen Anbieter. Da verursacht ein Vertrag bei einem anderen Versicherer oder einer anderen Pensionskasse in der Verwaltung zusätzlichen Aufwand. Auch bei der verpflichtenden Übertragung treten regelmäßig Schwierigkeiten auf. Es herrscht Unkenntnis zu dieser gesetzlichen Regelung. Alternative Konzepte fehlen. Übertragungen ziehen sich in die Länge, mitunter bis zum Verstreichen der vorgegebenen Frist.

Übertragung zieht sich oft in die Länge

Selbst wenn ein alternatives Versorgungskonzept beim neuen Arbeitgeber existiert, läuft es häufig nicht reibungslos. So wird eine Übertragung des Deckungskapitals oftmals durch den neuen Arbeitgeber beziehungsweise dessen Makler, Finanzberater oder Versicherungsvertreter gar nicht angeboten oder sogar ausgeredet. Der Grund: Das Übertragungsabkommen schreibt die Anrechnung der bereits geleisteten Abschlusskosten vor. Nach Ablauf der Stornohaftung von 60 Monaten erhält der neue Vermittler keine Vergütung für seine Tätigkeit. Vorher wird die geflossene Provision anteilig für den abgebenden Vermittler storniert und dem neuen Vermittler gutgeschrieben. Je nach Alter des Vertrages und Art der Kalkulation kann es dabei Unterschiede geben.

Sind Versorgungslösungen beim neuen Arbeitgeber vorhanden, dann zieht sich die Übertragung oftmals in die Länge. Mitunter weisen seine Berater gar nicht darauf hin. Der alte Vertrag läuft also erst einmal weiter. Die Folge: der Mitarbeiter erhält Rechnungen und Mahnungen bzw. der vorherige Berater muss den Vertrag beitragsfrei stellen. Das verhindert aber trotzdem oftmals nicht, dass der Mitarbeiter gemahnt wird, weil sich Arbeitsprozesse bei den Versicherern überschneiden.

Abwicklung zieht sich über Monate hin

Auch für Versicherer gehört die Übertragung des Deckungskapitals nicht zu den Lieblingsvorgängen. Der Prozess ist aufwändig und dauert. So ist bei Altzusagen vor dem 01. 01. 2005 lediglich eine einvernehmliche Übereinkunft zur Deckungskapitalübertragung möglich. In diesem Fall müssen alle Beteiligten, also Arbeitnehmer, neuer und alter Arbeitgeber unterzeichnen. Werden die Voraussetzungen des Rechtsanspruches zur Übertragung nach § 4 BetrAVG erfüllt, müssen lediglich der neue Arbeitgeber und der Mitarbeiter unterzeichnen. Dazu kommt die Korrespondenz zwischen der übernehmenden Versicherungsgesellschaft und der bisherigen.

Die Abwicklung dauert sechs bis acht Monate in der Regel. Da der Vertrag rückwirkend policiert wird, stehen dem Arbeitnehmer die Beitragszahlung ab Beginn des Arbeitsverhältnisses zu. So müsste der neue Arbeitgeber diese rückwirkend entrichten und die Gehaltsabrechnung korrigieren. Das findet erfahrungsgemäß aber so gut wie nie statt. Dadurch hat der Mitarbeiter neben den nervenden Diskussionen meist auch eine Beitragslücke von mehreren Monaten und der Berater ein Teilstorno, obwohl er sich bemüht, alles schnell und korrekt abzuwickeln.

Am Ende kommt es auf den Berater an

Außerdem gibt es auch Vertragskonstellationen, bei denen eine Übertragung des Deckungskapitals keinen Sinn macht und eine Beitragsfreistellung der bessere Weg ist. So verfügen zum einen sehr alte Verträge über günstigere Rechnungsgrundlagen mit höheren Garantiezinsen. Zum anderen, und das wiegt wahrscheinlich noch schwerer, steht die zu geringe Laufzeit der neuen Verträge einem guten Ergebnis im Wege, weil ein Wechsel in aktuelle fondsgebundene Produkte dadurch nicht sinnvoll ist. Darüber sprechen wir offen mit den Anwärtern. Am Ende bleibt es aber ihre Entscheidung.  Auf jeden Fall sollten Arbeitnehmer und Arbeitgeber nachweislich über alle Möglichkeiten und gesetzlichen Verpflichtungen informiert werden.

Grundsätzlich sind die Regelungen des Übertragungsabkommens in Ordnung. Entscheidend ist die seriöse Beratung der handelnden Vermittler. Daher sollte im Rahmen der sowieso notwendigen Qualifizierung der Vermittler ein separater Baustein zu diesem Thema integriert werden.


Die beiden Gastautorinnen Sandra Pieper (Berlin) und Sandra Müller (Krefeld) sind selbstständige Finanzberaterinnen für die Deutsche Bank. Sie äußern sich regelmäßig zu Entwicklungen in der betrieblichen Altersversorgung und im modernen Mitarbeitermanagement.