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Pflege: Großer Wurf oder halbe Sache?

Um die Zukunft der Pflege in Deutschland drehte sich die Diskussion in der DIA-Lounge mit Staatssekretär Karl-Josef Laumann, Bevollmächtigter der Bundesregierung für Pflege, am 6. November. Wird aus der laufenden Pflegereform der versprochene große Wurf oder am Ende doch nur eine halbe Sache?

„Das ist nicht nur eine Reform, wir bekommen eine völlig neue Pflegeversicherung“, mit diesen Worten stellte Staatssekretär Karl-Josef Laumann klar, wie er die derzeit laufende Gesetzgebung zur Umgestaltung der Pflegeversicherung einschätzt. Nach der Verabschiedung des ersten Pflegestärkungsgesetzes im Deutschen Bundestag war von Kritikern und Skeptikern zu hören, dass damit der große Wurf in der Pflege nicht gelänge. Diesen Einwand wollte Laumann nicht gelten lassen und zählte etliche Schritte auf, die zur Weiterentwicklung der Pflegeversicherung vom Gesetzgeber bereits auf den Weg gebracht wurden: Anpassung der Pflegeleistungen ab dem 1. Januar 2015, Ausweitung der Kurzzeitpflege, zusätzliche Leistungen für Pflegebedürftige in ambulant betreuten Wohngruppen, neue Betreuungsleistungen für Menschen mit erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz. Insgesamt werden ab 2015 2,4 Milliarden Euro zusätzlich für ausgeweitete Pflegeleistungen eingesetzt.

Auch mit einer anderen Kritik aus den Wohlfahrtsverbänden mochte sich der Pflegebeauftragte der Bundesregierung nicht identifizieren. Diese hatten moniert, dass mit dem Pflegestärkungsgesetz 1 der zweite Schritt vor dem ersten gemacht worden sei. Der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff wird nämlich erst im Nachgang, wahrscheinlich erst 2017 eingeführt. Dann sollen statt der bisherigen drei Pflegestufen fünf Pflegegrade gelten, die vor allem die Gruppe der Demenzkranken besser berücksichtigen. Auf die Frage, ob es umgekehrt nicht besser gewesen sei, verwies er auf die Situation, als er im vergangenen Jahr sein Amt antrat. Damals habe es keine ausreichenden Studien zur Umsetzung der neuen Pflegegrade gegeben. Eine solche Veränderung müsse aber ausreichend vorbereitet sein. Daher habe sich der Gesetzgeber entschieden, zunächst in einem ersten Schritt zumindest die Leistungen im existierenden System zu erhöhen. 2015 soll nach den Planungen von Laumann die Gesetzgebung zum zweiten Pflegestärkungsgesetz abgeschlossen werden, das dann die grundsätzlichen Änderungen in der Pflegeversicherung bringt. Anfang 2017 werden, so die Ankündigung des Pflegebeauftragten, deutschlandweit die neuen Pflegegrade angewandt werden.

Der schleichenden Entwertung ein Ende bereitet

Die Leistungsverbesserungen ab Januar 2015 enthalten auch einen Inflationsausgleich von 800 Millionen Euro beziehungsweise vier Prozent. Eine solche Anpassung war dringend notwendig. Laumann räumte ein, dass in den zurückliegenden Jahren die Entwicklung der Pflegeversicherung von der Politik vernachlässigt worden ist. Daher fand durch die Inflation eine schleichende Entwertung der Leistungen aus der Pflegeversicherung statt. Für die Zukunft sieht das Gesetz nun eine Leistungsdynamisierung in Abhängigkeit von der Inflation vor. Das ist allerdings den Wohlfahrtsverbänden und Leistungserbringern noch nicht genug, weil dabei die zukünftigen Leistungssteigerungen des Pflegepersonals nicht mit eingerechnet werden. Von Letzterem hält Staatssekretär Laumann allerdings gar nichts: Wenn man vorab ins Gesetz schreibe, auf jede künftige Gehaltssteigerung mit Leistungsausweitungen zu reagieren, lade man die Tarifparteien geradezu ein, Verträge zu Lasten Dritter zu vereinbaren.

„Geld pflegt nicht“

Ihn treibe vielmehr ein ganz anderes Problem um: Wo kommen die zusätzlichen Pflegekräfte her, die in den nächsten Jahren und Jahrzehnten benötigt werden? Mit dem Pflegestärkungsgesetz ist bereits in der stationären Pflege die Aufstockung der zusätzlichen Betreuungskräfte von bisher rund 25.000 auf 45.000 vorgesehen. Aber der Bedarf wird weiter zunehmen, Jahr für Jahr. „Geld pflegt nicht“, mit diesem knappen Satz leitete Karl-Josef Laumann ein Plädoyer für die Gewinnung gut ausgebildeter Pflegekräfte ein. So sei es ihm völlig unverständlich, warum in einigen Bundesländern für die Ausbildung zum Altenpfleger weiterhin Schulgeld verlangt werde. „Das Studium eines Mediziners zahlt der Staat komplett, aber Altenpfleger müssen sich an ihrer Ausbildung beteiligen.“ Im Dialog zwischen Bund und Ländern soll der Nachwuchsmangel in der Altenpflege bekämpft werden. So ist zum Beispiel eine Ausbildungsreform geplant, in der die Kranken-, Alten- und Kinderkrankenpflege zu einem einheitlichen Pflegeberuf zusammengefasst wird.